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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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Männer standen an die Armstützen der vordersten Bankreihe gelehnt und versuchten, die Lage in der Fabrik einzuschätzen. Der Mann mit den kurzgeschorenen Haaren, sein Name lautete, wie Berger inzwischen erfahren hatte, Anton Kalina, war vom Einsatzleiter vertröstet worden. Sie wussten noch nicht, ob die Fabrik gestürmt werden sollte oder nicht. Berger hatte sich Kalinas Gesicht genau eingeprägt und mit Befriedigung registriert, dass es sich bei dem Polizisten ziemlich sicher um einen analfixierten Kontrollfreak handelte, der selbst ein Post-it mit der Wasserwaage ausrichtete, sprich, er war genau der richtige Mann für die Erstürmung der Fabrik. Hinter ihnen, auf den beiden Tischen, standen diverse elektronische Geräte, die Qualtinger nach und nach heraufgebracht hatte. Ein Fernseher, ein Funkgerät, ein zusätzliches Telefon und ein Haufen Kleinkram, den Berger nicht zuordnen konnte. Der Rest der Tische war mit Karten und Plänen bedeckt. Auf seine Frage, warum sie nicht einfach ins Büro des Bürgermeisters wechselten, in dem doch sicherlich das meiste von dem Zeug schon vorhanden war, hatte der Bürgermeister abgewinkt und gesagt, das Büro sei zu eng, er brauche Platz zum Denken. Berger hatte nur den Kopf geschüttelt. Er hatte das Büro des Bürgermeisters als ziemlich geräumig in Erinnerung, mit einer bequem aussehenden Ledergarnitur und einem Zimmerspringbrunnen.
    Qualtinger, der immer noch wie aus dem Ei gepellt aussah, wandte sich an Berger. „Sind Sie ganz sicher bezüglich Baumgartner?“, fragte er und reckte das Kinn vor. Berger nahm sich vor, ihn in einer ruhigen Minute beiseite zu nehmen und zu fragen, wo er seine Uniform ändern ließ.
    â€žIch bin sicher“, sagte Berger.
    â€žVon Ihrer Einschätzung hängt eine Menge ab“, sagte der Bürgermeisterleise, so, als wolle er Berger mit der implizierten Verantwortung nicht erschlagen.
    â€žIch weiß“, sagte Berger, „aber ich kann nur das sagen, was ich denke, und wenn Sie mich fragen, ob Karl Michael Baumgartner in der Lage ist, eine Bombe zu bauen, muss ich ja sagen. Er ist ja kein Laie im Umgang mit Chemikalien. Und wenn Sie mich fragen, ob er verrückt genug ist, die Bombe zu zünden, lautet meine Antwort ebenfalls ja.“ Er nickte eindringlich und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, das zu seinem Erstaunen schweißnaß war. Vorhin, als er auf dem Klo gewesen war und in den Spiegel geschaut hatte, hatte er für einen kurzen, unangenehmen Moment das Gefühl gehabt, nur aus Oberfläche zu bestehen; nun, dem mochte so sein. Aber zumindest war es eine ansprechende Oberfläche.
    Qualtinger strich sich das Haar aus der Stirn und musterte zuerst den Bürgermeister, dann den Umweltstadtrat, der immer mehr einem dieser Hippies glich, die nicht bemerkt hatten, dass die Sechziger vorbei waren. Er wirkte irgendwie verloren. „Das klingt ziemlich beunruhigend“, sagte Qualtinger und machte ein Gesicht, als erklärte er allen Anwesenden gerade, dass sie im Lotto gewonnen hatten.
    â€žWas geschieht jetzt?“
    Qualtinger deutete mit seinem markanten Kinn zu den Tischen. „Ich muss ein paar Gespräche führen.“
    Der Bürgermeister nickte und warf dem Umweltstadtrat einen besorgten Blick zu. „Du schaust nicht gut aus, Rudi“, sagte er. „Meiner Meinung nach gehörst du ins Bett.“
    Der Umweltstadtrat schüttelte trotzig den Kopf. „Mir geht’s gut“, sagte er mit einer Stimme, die ihn Lügen strafte, „ich brauch nur was zu trinken.“
    Der Bürgermeister zögerte eine Sekunde, dann zog er einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und warf ihn dem Umweltstadtrat zu. „Der rote öffnet die Tür.“
    â€žImmer auf Parteilinie, deine Schlüssel“, sagte der Umweltstadtrat und entlockte dem Bürgermeister die Andeutung eines Lächelns.
    â€žDu weißt ja, wo das Büro ist.“
    â€žUnd der Kühlschrank.“ Der Umweltstadtrat stieß sich ächzend von der Armlehne ab und ging zur großen, zweiflügeligen Holztür.
    â€žNimm uns was mit!“, rief ihm der Bürgermeister nach.
    â€žWas denn?“
    â€žEgal. Hauptsache stark und kalt. Und bring auch gleich ein paar Plastikbecher mit.“
    â€žBecher?“, fragte der Umweltstadtrat. „Ich dachte, wir trinken aus deinen schicken

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