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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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durchsucht?“
    â€žDafür gibt es Profis“, sagte Berger lapidar und deutete mit dem Kinn auf Qualtinger, der mit dem Mann auf dem Bildschirm in eine angeregte Unterhaltung vertieft war, während er diverse Pläne und Karten auf dem Tisch ausbreitete und auseinander rollte.
    â€žSie hatten Angst, stimmt’s? Angst, dass Ihnen die ganze Scheiße um die Ohren fliegen würde. Nun, ich kann’s Ihnen nicht verdenken, wär mir auch so gegangen.“
    â€žWissen Sie was?“, sagte Berger und erhob sich. „Langsam gehen Sie mir auf die Nerven. Sie und Typen wie Sie widern mich derart an, dass ich gar nicht so viel fressen kann, wie ich speiben möchte.“
    Der Umweltstadtrat beugte sich über die Bankreihe zu Berger. „Typen wie ich?“, sagte er und seine Stimme war eine Spur zu laut.
    â€žSie tun doch nichts anderes, als Leuten wie mir einen Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine zu werfen.“
    â€žDas ist mein Job als Umweltstadtrat. Ich kann schließlich nicht tatenlos zusehen, wie Sie alle Bestimmungen zum Schutz der Umwelt verletzen. Schließlich ist eine intakte Umwelt, nicht zuletzt für den Tourismus, wichtig und auch gewinnbringend.“
    Berger brachte sein Gesicht ganz nah an das des Stadtrates heran. „Diese Gewinne werden wir auch brauchen, um damit für teures Geld die Technologie aus dem Ausland zu kaufen, die hier zu entwickeln Ihre engstirnigen Bestimmungen nicht zulassen. Sie mögen mich nicht? Gut, ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Ich mag Sie auch nicht. Und wissen Sie, warum?“
    Die Augen des Umweltstadtrates fraßen sich förmlich in Bergers Gesicht.
    â€žWeil“, sagte Berger, „ich Leute nicht ausstehen kann, die alles besser wissen, aber nichts besser können. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss pissen.“
    Mit einem Seufzen ließ der Umweltstadtrat Berger an sich vorbeigehen und trat nach vor zu Qualtinger, der den Telefonhörer salopp auf der Schulter geparkt hatte.
    â€žWas ist jetzt?“, sagte der Mann auf dem Bildschirm mit sichtlicher Ungeduld zum polizeilichen Einsatzleiter, der sich neben ihm, außerhalb des Blickfelds der Kamera, befand. „Stürmen wir, oder was?“

SIEBZEHN
    Wie Spaghetti sehen die herabhängenden Staubblätter der Panamahutpflanze aus und als Karl mit den Fingern darüberstreicht, scheucht er kleine Käfer auf, die über seine Hand krabbeln, ihren Weg in sein ausgeleiertes Army-T-Shirt finden, seine gebräunten Arme hochflitzen, den Grat seiner Schultern überqueren und schließlich an seinem schweißnassen Rücken hinabschlittern, um sich in den unterarmdicken Ausläufern einer Wanderpalme zu verlieren. Während er gedankenversunken weitergeht, atmet er die feuchte, leicht faulig riechende Luft ein und wedelt mit den Händen Moskitos von seinem Gesicht weg, die sich trotz des Insektenschutzmittels, mit dem er sich imprägniert hat, an ihm laben wollen. Schließlich gelangt er auf eine kleine, von riesigen Kapokabäumen umsäumte Lichtung und setzt sich auf einen der glitschigen Felsen, die vom Dunst des wenige Meter an ihm vorbeischießenden Wasserfalles benetzt sind. Er erinnert sich an seine Ankunft in San José, wie er sich mit den viel zu vielen Koffern abgeplagt hat, an die dicke, schwüle Luft, die sich in seine gequälten Lungen gegossen hat wie lauwarmes Abwaschwasser, an den Lärm, die hin- und herwieselnden Menschen, die ein Spanisch brüllten, das er so auf der Volkshochschule nicht gehört hat. Er erinnert sich an den Coca-Cola-Busterminal, wo er die Karte für die lange Fahrt zur Forschungsstation gekauft hat, und über dieses Bild schiebt sich das Bild eines anderen Flughafens, diesmal der in Wien, und er hört eine Frauenstimme, leicht zerkratzt durch die Lautsprecher, die die Ankunft des Fluges MP 646 vom Juan Santamaria International Airport über Miami und Amsterdam zum Vienna International Airport ankündigt, und er sieht sich, wie er durch den Nichts-zu-verzollen-Ausgang eilt, diesmal mit wesentlich weniger Koffern als bei seiner Abreise, und als er sich den Weg durch die anderen Ankömmlinge gebahnt hat, entdeckt er Daniel, der ein Schild hochhält, auf dem
Doktor Livingstone, nehme ich an?
steht. Er eilt auf ihn zu, stellt denKoffer ab und sie umarmen einander und wie er sich so umschaut, registriert er mit Bedauern, dass sonst niemand gekommen ist,

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