Kolibri
Kristallgläsern.â
âBecherâ, sagte der Bürgermeister nachdrücklich und wandte sich dem Fernseher zu, der unter Qualtingers Hand flackernd zum Leben erwachte. Auf dem Bildschirm war die von Scheinwerfern in gleiÃendes Licht getauchte Fassade der Fabrik zu sehen. Der Bürgermeister starrte ein paar Sekunden schweigend das Gebäude an, das möglicherweise auf ewig mit seiner politischen Laufbahn assoziiert werden würde, runzelte dann die Stirn und wandte sich an Berger, der näher an den Tisch herangerückt war, um einen besseren Blick auf den Fernseher zu haben.
âDieser kleine Glaskasten auf der Terrasseâ, sagte er, âwas ist das?â
âEin Saranhausâ, sagte Berger, froh, mit seinem Fachwissen punkten zu können.
âWofür ist das gut?â
âEs ist eine Art abgedichtetes Gewächshaus. Soll Pollenflug verhindern.â
âSoll?â, fragte der Bürgermeister skeptisch.
âTutâ, beeilte sich Berger zu korrigieren.
Der Bürgermeister bedachte Berger mit einem abschätzenden Blick. âWissen Sieâ, sagte er, ânicht immer, aber eigentlich jedes Mal, wenn ich Sie sehe, bekomme ich ein flaues Gefühl im Magen.â
Berger setzte ein Lächeln auf. âProjektion.â
Der Bürgermeister lächelte dünn und tippte mit dem Zeigefinger an seine Nase. âIntuition.â
Berger, der hoffte, dass der Bürgermeister das Thema erschöpfendbehandelt hatte, versuchte sich an einem neutralen Gesichtsausdruck, aber der Bürgermeister war noch nicht fertig.
âStimmt das, was ich heute in der Zeitung gelesen habe?â, fragte er.
Berger gab ein gekünsteltes Lachen von sich. âKeine Ahnung, kommt drauf an, welche Zeitung Sie lesen.â
âBerger, verschonen Sie mich mit Ihrer Art von Humor. Es hieÃ, es habe einen kleinen Unfall in Ihrer Fabrik gegeben, bei dem möglicherweise hochgiftige Stoffe freigesetzt wurden. Stimmt das?â
Berger versuchte, den Bürgermeister zu beruhigen. Er schilderte ihm die Zerstörung der Zentrifuge als harmloses Ereignis ohne schwerwiegende Folgen für Mensch oder Umwelt und wies darauf hin, dass Journalisten notorisch zu Ãbertreibungen neigten. AuÃerdem sei heute Morgen ein Beamter der Umweltabteilung in der Fabrik gewesen, habe sich alles angeschaut und festgestellt, dass Bergers Angaben der Wahrheit entsprochen hätten.
Der Bürgermeister nickte zögerlich, aber der skeptische Gesichtsausdruck blieb. âSollte an der Sache irgendetwas faul sein, sind Sie erledigt, das ist Ihnen hoffentlich klarâ, sagte er schlieÃlich.
âAn der Sache ist nichts faulâ, brachte Berger mühsam hervor und war froh, dass der Bürgermeister einige Fragen an Qualtinger, der die ganze Zeit über telefoniert hatte, richtete. Er lieà sich auf einer der Bänke nieder, schloss die Augen und genoss den Moment der Ruhe und des Friedens, als sein Handy klingelte. Er zog es aus der Brusttasche seines Sakkos und schaute auf das rotglühende Display. David Penrose. Die Stunde der Bewährung war gekommen.
âHallo, Davidâ, sagte Berger und versuchte, die richtige Mischung aus Besorgnis und Zuversicht in diese zwei Worte zu quetschen.
âWas ist los in meiner ScheiÃ-Fabrik, verdammt noch mal?!â, brüllte Penrose in bemerkenswert akzentfreiem Deutsch.
Berger informierte ihn in knappen Sätzen und Penrose, der wusste, wann er reden musste und wann es besser war, den Mund zu halten, hörte schweigend zu.
âWenn die Angelegenheit nicht bis morgen zu meiner vollenZufriedenheit erledigt ist, fliege ich rüber und reià dir persönlich die Eier abâ, sagte Penrose schlieÃlich, und nun hatte sich doch die Spur eines amerikanischen Akzents eingeschlichen.
âHier ist ein Haufen Leute damit beschäftigt, die Lage zu klärenâ, sagte Berger, der sich plötzlich fragte, wer Penrose eigentlich über die Vorfälle in der Fabrik informiert hatte. Auf CNN würde das wohl nicht laufen.
âLeute?!â, brüllte Penrose. âWas für beschissene Leute sind das?!â
Berger gab Penrose die Informationen und der Amerikaner schien sich ein wenig zu beruhigen.
âIch schick dir jemanden vorbeiâ, sagte er dann, âder sich um die Sache vor Ort kümmern wird.â
ScheiÃe, dachte Berger, bloà das nicht. Einen Aufpasser, der im Auftrag von
Weitere Kostenlose Bücher