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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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um seine Rückkehr zu feiern.
    Ein weiteres Tier kriecht über seine Hand, ein kleiner brauner Frosch mit leuchtendrotem Rücken und Kopf, ein Pfeilgiftfrosch, und Karl bleibt ganz ruhig und hofft, das Tierchen werde schnell weiterhüpfen, was es zum Glück auch tut, es verschwindet zwischen den braunen Blättern, die den Boden bedecken und hinterlässt kaum mehr als ein Rascheln und ein dumpfes Gefühl von Angst. Er lehnt sich zurück, bettet seinen Kopf in die Mulde seiner verschränkten Hände und starrt nach oben, in den Himmel, der sich rasch verdunkelt. Er tastet nach der Taschenlampe, die in der Seitentasche seiner abgeschnittenen Armyhose steckt, und nickt befriedigt, als seine Finger deren Umrisse nachzeichnen. Schließlich gleitet er in einen sanften Schlaf und er träumt, dass er in Wien sitzt, am Boden seiner kleinen Wohnung in der Brunnengasse im Sechzehnten Bezirk, und linker Hand stehen die Koffer, drei Stück, einer rot, einer blau, einer gelb, ein buntes Versprechen an bessere Zeiten und schönere Tage in einem fremden Land, rechter Hand stapeln sich all die Gegenstände, die Karl weder mitnehmen noch aufbewahren will. Geschirr, eine Kompaktstereoanlage, deren Kassettendeck defekt ist, alte Winterjacken, die er im warmen Costa Rica nicht brauchen wird, ein zerlegter IKEA-Küchentisch, zwei Sessel, ein paar Bücher. Später am Nachmittag werden zwei Männer von der Caritas vorbeikommen und den ganzen Krempel mitnehmen. Dann wird Karl nichts mehr besitzen außer den drei Koffern, einem Pass, einer Kreditkarte und einem Lattenrost, den er bei Daniel untergebracht hat. Fühlt er sich nackt? Nein. Er fühlt sich gut. Befreit. Er blickt auf die Uhr. Die Männer von der Caritas kommen erst in zwei Stunden. Plötzlich ist er müde. Er lehnt sich mit dem Rücken gegen den blauen Koffer und döst vor sich hin.
    Als er wieder aufwacht, hat sich pechschwarze Nacht auf den Regenwald herabgesenkt und Karl richtet sich mit einem Ruck auf und für einen Moment ist er verwirrt. Wo bin ich? Dann fällt es ihmwieder ein. Er ist in Costa Rica, im Dschungel, unweit einer Forschungsstation, wo er täglich seine Arbeit verrichtet, die ihm keinen Spaß macht. Er schaltet die Taschenlampe ein und bahnt sich seinen Weg durch das Unterholz. Ab und zu konsultiert er seinen Kompass, der an einer Kordel um seinen Hals hängt. Die Forschungsstation ist nur wenige hundert Meter entfernt, weit genug, um sich zu verirren. Schließlich kommt er auf einen schmalen Weg, der in eine Straße mündet, und als er zur Seite blickt, entdeckt er Daniel neben sich, sie gehen den Donaukanal entlang, Daniel trägt seinen Koffer, den blauen, den einzigen, den Karl noch hat, und die Lichter aus den Wohnungen auf der anderen Uferseite spiegeln sich in den Wellen des Kanals und plötzlich stört es Karl nicht mehr, dass niemand außer Daniel zu seiner Rückkehr gekommen ist. Er ist wieder hier, in Wien, und alles, seine Augen, seine Nase, sein Herz, sagt ihm, dass er hier richtig ist. Er bleibt stehen und schaut sich um. Nichts hat sich verändert. Alles hat sich verändert. Er hat sich verändert.
    Befände sich in diesem Moment jemand im Büro von Patrick Berger und würde dieser einen Blick auf den Boden neben dem Sofa werfen, er würde Folgendes sehen: einen jungen Mann, um die dreißig, bekleidet nur mit einer Trainingshose und einem
Mudhoney
-T-Shirt, die Fußsohlen von Pflastern bedeckt, die von Merfen Orange gerändert sind, die Arme ausgebreitet, den Kopf auf die rechte Schulter gelegt. Seine Beine sind beinahe gestreckt, die Füße berühren sich leicht. Vor dem Sofa liegt eine zerbrochene Flasche, die Scherben glitzern im grellen Licht, das durch die heruntergelassenen Jalousien dringt. Auf einer dieser Scherben glimmt ein Zigarettenstummel vor sich hin, gerade weit genug zurückgebrannt, dass die Glut dem Teppich nicht gefährlich werden kann. Das dezente Summen eines Telefons ist zu hören, ein Summen, das ungehört verklingt. Aber sein Gesicht ist es, das den Betrachter oder die Betrachterin am meisten faszinieren würde: Es ist das Gesicht eines Engels, eines Babys, vollkommen zufrieden, vollkommen eins mit sich und der Welt. Das Gesicht eines absolut harmlosen Menschen.

ACHTZEHN
    â€žEr ist ein Spinner“, sagte Patrick Berger. „Karl Michael Baumgartner ist meiner Meinung nach ein Psychopath.“
    Die vier

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