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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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angehaltenem Atem starrte Patrick Berger auf den Fernseher und versuchte, inmitten der tränengasumwehten Beamten der WEGA eine dürre Gestalt, die nur mit einem T-Shirt und einer Trainingshose bekleidet war, auszumachen; allein, er sah sie nicht. Die WEGA hatte die Aktion verpfuscht, Baumgartner war, so hatte es zumindest den Anschein, noch immer in der Fabrik. Baumgartner, und die Bombe.
    â€žBravo“, sagte Berger und drängte sich zwischen den Umweltstadtrat, der zusammengesunken auf einem Klappstuhl hockte, undQualtinger, der mit eisiger Miene den Fernseher betrachtete, auf dem Kalina gerade wild herumfluchte und eine nicht näher bezeichnete Journalistin für das Debakel verantwortlich machte. Er schnappte sich einen Becher, entriss dem Umweltstadtrat die Whiskeyflasche, goss sich einen tüchtigen Schluck ein, verfeinerte ihn mit einem Spritzer Cola und trank die lauwarme Brühe in drei großen Zügen hinunter. Dann knallte er den Becher so fest, wie man einen Becher nur knallen konnte, auf den mit Karten übersäten Tisch und klopfte Qualtinger auf die Schulter.
    â€žLassen Sie Ihre Finger von mir“, sagte Qualtinger und starrte mit demonstrativer Gleichgültigkeit auf den Bildschirm.
    â€žWie war das?“, höhnte Berger und versuchte, Qualtingers Stimme nachzumachen. „Aktionen der WEGA klappen so gut wie immer?“
    Qualtinger ließ sich dazu herab, seinen Kopf ein paar Millimeter zu drehen, so dass er Berger aus den Augenwinkeln heraus mustern konnte. „Sie haben Major Kalina gehört“, sagte er und deutete mit seinem imposanten Kinn auf den Fernseher, „eine Zivilistin, eine Journalistin, wie es aussieht, hat sich in die Aktion eingeschaltet, unbefugterweise, muss ich hinzufügen, und so die ganze Angelegenheit zum Scheitern verurteilt.“
    Berger gab ein frustriertes Schnauben von sich und sagte: „Eine Frau, eine einzige Frau verschafft sich unbefugt Zutritt zu dieser Halle und schon verlieren Ihre ach so tollen Spezialisten den Kopf, schießen wild in der Gegend herum, versprühen Tränengas und“, er machte einen Schritt auf Qualtinger zu, beugte sich hinunter und hielt ihm den Zeigefinger vors Gesicht, „lassen den Mann mit der Bombe dort, wo er schon die ganze Zeit über ist, nämlich in meiner Fabrik. Tolle Leistung, gratuliere, Herr Verbindungsoffizier, weiter so.“
    Qualtinger stieß den Stuhl nach hinten, so heftig, dass er umfiel, sprang auf und ging auf Berger los, als sich der Bürgermeister zwischen die beiden Männer schob und mit der Zunge schnalzte.
    â€žLangsam geht ihr mir auf die Nerven“, sagte er, „und zwar alle beide.“
    â€žIch muss mir diesen Scheiß nicht anhören“, sagte Qualtinger und bürstete sich einen imaginären Fussel von seiner makellosen Uniform.
    â€žIrrtum“, sagte der Bürgermeister, „
ich
muss mir diesen Scheiß nicht anhören. Bei der nächsten Auseinandersetzung schmeiß ich euch raus, und zwar beide.“
    â€žDer da“, sagte Qualtinger und schnippte verächtlich in Bergers Richtung, „sollte gar nicht hier sein.“ Damit drehte er sich um, nahm sein Motorola aus der Brusttasche seiner Uniform und zog sich demonstrativ in eine Ecke zurück, wo er mit gedämpfter Aufregung hin und her ging und in die Sprechöffnung murmelte.
    â€žIch mein’s ernst“, sagte der Bürgermeister und tippte Berger gegen die Brust. „Ich weiß, es ist Ihre Firma und nicht nur Ihre berufliche Zukunft hängt davon ab, wie diese Sache hier ausgeht“, ein Blick auf den Fernseher, wo gerade ein WEGA-Beamter interviewt wurde, „aber ich hab zu viel um die Ohren, um auch noch Babysitter zu spielen.“
    Berger hob die Arme in einer abwehrenden Geste. Der Bürgermeister musterte ihn einen Augenblick, dann zwinkerte er ihm zu und sagte: „Kopf hoch. So schlecht sind die WEGA-Männer nicht. Denen fällt schon noch was ein.“
    Ganz sicher, dachte Berger. Wenn es zu spät ist. Wenn Baumgartner etwas Belastendes gefunden hat, wenn es dieser Journalistin gelungen ist, ein wenig in der Fabrik herumzuschnüffeln und, vielleicht mit Baumgartners Hilfe, eins und eins zusammenzuzählen, dann fällt den WEGA-Typen noch was ein. Nur, dann nützte es Berger nichts mehr. Nein, er musste die Sache selbst in die Hand nehmen.
    Er zückte sein Handy und begab sich in eine lauschige Ecke,

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