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Kolibri

Kolibri

Titel: Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Benvenuti
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…“
    â€žAußer was?“, fragte Berger leise, dem in einem Sekundenbruchteil Dutzende Möglichkeiten des Scheiterns einfielen.
    â€žAußer“, sagte Qualtinger und sein Grinsen wurde breiter, „außer irgendwelche verdammten Zivilisten mischen sich ein. Dann kann eine Aktion schon mal schiefgehen.“
    Berger atmete erleichtert auf und sagte: „Dann müssen Sie sich keine Sorgen machen. Der einzige Zivilist in dem Gebäude ist Karl Michael Baumgartner und mit dem werden Ihre Leute wohl fertig werden, oder?“
    â€žWas war das?“, brüllte der Mann, den Drechsler als den Reporter des staatlichen österreichischen Fernsehens wiedererkannte, den er vorhin auf so befriedigend unsanfte Weise zum Teufel geschickt hatte.
    Drechslers Blick folgte dem ausgestrecktem Arm des Reporters, der auf das große, metallene Tor wies, das die Beamten der WEGA vor kurzem mit für seinen Geschmack etwas zu viel Schwung aufgestoßen hatten. Die Beamten waren im Inneren der Fabrik verschwunden, so, als hätte ein Schwarzes Loch sie aufgesaugt. Und Maria ist bei ihnen, hatte Drechsler gedacht und sein Magen hatte sich zusammengezogen.
    Jetzt stand er, zusammen mit all den anderen Polizisten und Journalisten, am Straßenrand und starrte auf die Fabrik, aus der soeben ein leiser, gedämpfter Knall ertönt war.
    â€žWas, zum Teufel, war das?“, brüllte der Reporter erneut und dem Klang seiner Stimme nach zu urteilen schien ihm, was immer dort in der finsteren Halle vorging, zu gefallen. Er wies seinen Kameramann alle paar Sekunden an, sein Baby genau auf den Eingangsbereich der Fabrikhalle gerichtet zu lassen, der in Drechslers Augen wie ein dunkler, gieriger Schlund wirkte.
    â€žDas war ein Schuss“, brüllte der Reporter jetzt, stieß seine rechte Faust in die Luft und blickte sich beifallheischend um. „Leute, das war ein verdammter Schuss, verdammt noch mal!“
    Drechsler, der am liebsten dem verdammten Reporter eine Kugel verpasst hätte, wandte sich an Widmaier, der auf den Zehenspitzen balancierte und wie ein Monolith wirkte, der jeden Moment umzustürzen drohte. „War das ein Schuss?“, fragte er mit belegter Stimme und hoffte, sein Freund würde den Kopf schütteln und sein breites Grinsen mit den vielen Zähnen aufsetzen und ihm beruhigend seine massige Hand auf die Schulter legen, aber Widmaier tat nichts von all dem. Er musterte Drechsler mit betrübter Miene, ehe er den Blick abwandte und sagte: „Nach einem Schuss klang das nicht direkt, eher …“
    Drechslers Finger gruben sich in Widmaiers muskulöse Oberarme. „Eher wie was, verdammt noch mal?“, brüllte Drechsler, obwohl oder gerade weil er die Antwort, wenn schon nicht wusste, so doch zumindest ahnte.
    Widmaier räusperte sich, den Blick immer noch ins dunkle Nichts gerichtet, und sagte: „Für mich klang das wie die Detonation eines Tränengasbehälters.“
    Drechsler ließ Widmaiers Arme los und trat einen Schritt zurück. Tränengas, genau das hatte er auch vermutet. Nun, sagte er sich, die WEGA stürmt eine Fabrik, in der sich ein Bombenleger verschanzt hat, natürlich setzt sie dann Tränengas ein. Nur, die Beamten verfügten über Gasmasken, Maria nicht. Die Beamten wussten, wiesie sich in einer solchen Situation – keine Luft zum Atmen, Sichtweite gleich null, jeder noch so große Raum schien sich auf Sarggröße zu verdichten – zu verhalten hatten. Maria wusste das nicht. Verdammt, dachte er, warum hab ich sie nicht davon abgehalten, in diese Fabrik zu gehen? Vielleicht ist sie gar nicht drinnen, versuchte er sich zu trösten, nur um sich in derselben Sekunde zu fragen, wem er was vormachen wollte. Er kannte sie noch nicht lange und er kannte sie noch nicht gut, aber alles, was er von ihr wusste, sagte ihm, dass sich Maria Eichinger, Journalistin beim österreichischen Privatfernsehsender VC-TV, dort drüben in der Fabrik aufhielt.
    â€žVerdammte Scheiße“, murmelte Widmaier und riss Drechsler aus seinen Grübeleien, „was soll das jetzt?“
    Die Beamten der WEGA rannten aus der Fabrikhalle auf die Straße, dichte Schwaden stechenden Tränengases umwaberten ihre Beine und wehten langsam in Richtung der Zuschauer, die sich T-Shirts, Taschentücher und Hemden vor Mund und Nase hielten, da sie es trotz der Atembeschwerden und der rotwerdenden Augen nicht fertig

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