Kollaps
Waren koordiniert, und die Menschen in den Außengebieten wurden motiviert, Güter an die politischen und religiösen Zentren zu liefern. Der Einzige der fünf Faktoren, für dessen Mitwirkung es im Fall der Anasazi keine überzeugenden Belege gibt, sind äußere Feinde. Als ihre Bevölkerung wuchs und das Klima sich verschlechterte, griffen sie sich zwar gegenseitig an, die Kulturen des nordamerikanischen Südwestens waren aber von anderen bevölkerungsreichen Gesellschaften so weit entfernt, das äußere Feinde sie nicht ernsthaft bedrohen konnten.
Unter diesen Gesichtspunkten können wir auf die alte Entweder- oder- Frage, ob der Chaco Canyon wegen menschlicher Eingriffe in die Umwelt oder wegen einer Dürreperiode verlassen wurde, eine einfache Antwort geben: Beide Gründe spielten eine Rolle. Über sechs Jahrhunderte hinweg wuchs die Bevölkerung des Chaco Canyon, und mit ihr stiegen die Anforderungen an die Umwelt. Die ökologischen Ressourcen schrumpften, und die Menschen gerieten immer stärker an die Grenze dessen, was diese Umwelt leisten konnte. Das war der ursächliche Grund für den Zusammenbruch. Der unmittelbare Anlass, der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die Dürre, die schließlich zum Untergang führte; eine Gesellschaft mit geringerer Bevölkerungsdichte hätte diese Dürre überleben können. Als der Zusammenbruch sich schließlich ereignete, konnten die Bewohner ihre Gesellschaft nicht so wiederaufbauen, wie die ersten Bauern im Gebiet von Chaco es getan hatten. Der Grund: Die Anfangsbedingungen waren nicht mehr vorhanden - die vielen Bäume in der Nähe, der hohe Grundwasserspiegel und die glatten Flussniederungen ohne Arroyos gab es nicht mehr.
Die gleiche Erkenntnis gilt wahrscheinlich auch für den Zusammenbruch vieler anderer früher Gesellschaften (darunter die Maya, von denen im nächsten Kapitel die Rede sein wird) und für unser eigenes Schicksal in heutiger Zeit. Wir modernen Menschen - Hausbesitzer, Investoren, Politiker, Hochschulverwalter und andere - können eine Menge Müll vertragen, solange es der Wirtschaft gut geht. Wir vergessen, dass die Bedingungen schwanken, und wann sie sich ändern werden, können wir unter Umständen nicht voraussehen. Wenn es dann so weit ist, hängen wir möglicherweise an einem aufwendigen Lebensstil, und als einziger Ausweg bleiben dann nur drastische Einschränkungen oder der Bankrott.
KAPITEL 5
Zusammenbrüche bei den Maya
Das Rätsel der verschwundenen Städte ■ Die Umwelt der Maya Maya-Landwirtschaft ■ Geschichtliches ■ Copan ■ Vielschichtige Zusammenbrüche ■ Krieg und Dürre ■ Zusammenbruch im südlichen Tiefland ■ Was wir von den Maya lernen können
In unserer Zeit haben schon Millionen Touristen die Ruinen der alten Maya-Kultur besucht, die vor mehr als 1000 Jahren auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan und in den angrenzenden Teilen Mittelamerikas ihren Zusammenbruch erlebte.
Noch heute liegen viele der großartigen Tempel und die anderen Bauwerke inmitten des Urwaldes weitab von allen heutigen Siedlungen. Einst jedoch, vor der Ankunft der Europäer, waren sie der Ort der am höchsten entwickelten Kultur der Neuen Welt, der Einzigen, deren schriftliche Hinterlassenschaften man in großem Umfang entziffert hat. Wie konnten die Menschen früherer Zeiten sich in einer urbanen Gesellschaft versorgen, während heute in dem gleichen Gebiet nur wenige Bauern mühsam ihr Leben fristen? Die Mayastädte imponieren uns nicht nur deshalb, weil sie so rätselhaft und gleichzeitig so schön sind, sondern auch weil es sich um »reine« archäologische Fundstätten handelt: Sie waren später entvölkert und wurden deshalb nicht wie die Aztekenhauptstadt Tenochtitlan (die unter dem heutigen Mexico City begraben liegt) oder Rom von jüngeren Bauwerken überdeckt.
Die Mayastädte waren verlassen, zwischen Bäumen versteckt und der Außenwelt so gut wie unbekannt, bis der reiche amerikanische Anwalt John Stephens und der britische Zeichner Frederick Catherwood sie 1839 wiederentdeckten. Stephens hatte Gerüchte über Ruinen im Dschungel gehört und brachte den Präsidenten Martin Van Buren dazu, ihn zum Botschafter bei der Konföderation der mittelamerikanischen Republiken zu ernennen, einem ungewissen politischen Gebilde, das sich damals vom heutigen Guatemala bis nach Nicaragua erstreckte und ihm als Gebiet für seine archäologischen Streifzüge dienen sollte. Am Ende hatten Stephens und Catherwood 44
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