Kollaps
schlechter; dies galt sowohl für die herrschende Klasse als auch für die einfachen Leute, bei Letzteren verfiel die Gesundheit aber noch stärker.
Wie bereits erwähnt, wuchs die Bevölkerung von Copan während der Besiedlung der Berghänge stark an. Als dort später alle Felder aufgegeben wurden, fiel die Aufgabe, die zusätzlichen, früher in den Bergen ansässigen Menschen zu ernähren, in immer stärkerem Maße dem Talboden zu, und immer mehr Menschen konkurrierten um die Lebensmittel, die dort auf nur 25 Quadratkilometern produziert wurden. Das führte wie in unserer Zeit in Ruanda (Kapitel 10) zu Konflikten unter den Bauern, die sich um die besten Felder oder überhaupt irgendwelche Landflächen stritten. Der König von Copan konnte sein Versprechen - Regen und Wohlstand als Gegenleistung für Macht und Luxus -nicht mehr einlösen, und so wurde er zum Sündenbock für die Missernte. Das ist vermutlich der Grund, warum der letzte Beleg für einen König von Copan aus dem Jahr 822 n. Chr. (dem letzten dort gefundenen Langkalenderdatum) stammt und warum der Königspalast um 850 n. Chr. niedergebrannt wurde. Die anhaltende Produktion einer gewissen Menge von Luxusgütern lässt aber darauf schließen, dass einige Adlige ihren Lebensstil auch nach dem Sturz des Königs bis ungefähr 975 n. Chr. beibehalten konnten.
Aus datierbaren Obsidianstücken kann man schließen, dass die Gesamtbevölkerung von Copan langsamer zurückging als die Spuren der Könige und Adligen. Im Jahr 950 n. Chr. lebten dort Schätzungen zufolge immer noch rund 15 000 Menschen, das sind 54 Prozent des Spitzenwertes von 27 000. Aber die Bevölkerung schrumpfte weiter, und ungefähr seit 1250 n. Chr. gibt es keine Anzeichen mehr, dass im Tal von Copan noch irgendjemand wohnte. Dass in späterer Zeit wieder Pollen von Waldbäumen auftauchten, ist ein unabhängiger Beleg, dass das Tal irgendwann praktisch menschenleer war und dass die Wälder sich nun endlich erholen konnten.
Die gerade allgemein skizzierte Maya-Geschichte und insbesondere das Beispiel von Copan machen deutlich, warum wir von einem »Zusammenbruch bei den Maya« sprechen. Aber die Sache wird noch komplizierter, und das hat mindestens fünf Gründe.
Erstens gab es nicht nur den großen klassischen Zusammenbruch, sondern zuvor ereigneten sich an einigen Stellen mindestens zwei kleinere Debakel: Das Erste, das als präklassischer Zusammenbruch bezeichnet wird, spielte sich um das Jahr 150 n. Chr. in El Mirador und einigen anderen Städten ab, das andere (der so genannte Maya-Hiatus) Ende des 6. und Anfang des 7. Jahrhunderts, zu einer Zeit, als an der gut untersuchten Ausgrabungsstätte Tikal keine Denkmäler mehr errichtet wurden. Auch in Gebieten, wo die Bevölkerung den klassischen Zusammenbruch überlebt hatte oder danach sogar angewachsen war, gab es später ähnliche Ereignisse, beispielsweise den Sturz von Chichen Itza um 1250 n. Chr. und von Mayapan um 1450 n. Chr.
Zweitens war der klassische Zusammenbruch offensichtlich nicht vollständig: Noch die Spanier trafen auf mehrere hunderttausend Maya - ihre Zahl war weitaus kleiner als in der klassischen Blütezeit, aber es waren immer noch erheblich mehr als in den anderen historischen Gesellschaften, die in diesem Buch eingehend erörtert werden. Diese Überlebenden konzentrierten sich in Gebieten mit einer stabilen Wasserversorgung, insbesondere im Norden mit seinen Cenotes, in den Küstenniederungen mit ihren Brunnen, an einem See im Süden und in niedriger Höhenlage entlang von Flüssen und Lagunen. Ansonsten aber verschwand die Bevölkerung im früheren Kernland der Maya im Süden fast vollständig.
Drittens spielte sich der Zusammenbruch der Bevölkerung (den man an der Zahl der Hausfundamente und der Obsidianwerkzeuge ablesen kann) in manchen Regionen wesentlich langsamer ab als der Rückgang der Zahl von Langkalenderdaten - dies habe ich im Zusammenhang mit Copan bereits erwähnt. Sehr schnell verschwanden beim klassischen Zusammenbruch aber die Institution der Königsherrschaft und der Lange Kalender.
Viertens waren viele scheinbare Zusammenbrüche von Städten in Wirklichkeit nur eine »Umverteilung der Macht«: Manche Städte wurden mächtiger, erlebten dann einen Niedergang oder wurden erobert und stiegen erneut auf, wobei sie ihre Nachbarn unterwarfen, ohne dass sich aber die Gesamtbevölkerung veränderte. Im Jahr 562 n. Chr. wurde Tikal beispielsweise von seinen Konkurrenten Carakol und Calakmul erobert,
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