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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Probleme erspart, mit denen Normannisch-Island und Grönland zu kämpfen hatten: Hier gab es weder die erosionsanfälligen Böden und aktiven Vulkane Islands noch die kürzere Wachstumssaison, das trockene Klima, die größeren Entfernungen über das Meer und die feindselige einheimische Bevölkerung Grönlands. Die Bewohner der Färöer waren zwar stärker isoliert als die Menschen auf den Orkney- und Shetlandinseln, und insbesondere im Vergleich zu den Orkneys verfügten sie über geringere eigene Ressourcen, aber sie überlebten ohne Schwierigkeiten, weil sie alles Nötige in großen Mengen einführen konnten - eine Möglichkeit, die in Grönland nicht gegeben war.
    Als ich das erste Mal nach Island reiste, sollte ich an einer von der NATO finanzierten Konferenz über die Wiederherstellung ökologisch geschädigter Gebiete teilnehmen. Mit Island hatte die Nato für den Ort der Konferenz eine besonders geeignete Wahl getroffen, denn diese Insel ist ökologisch das am stärksten geschädigte Land Europas. Seit der ersten Besiedlung durch Menschen wurden die ursprünglichen Bäume des Landes und die gesamte Vegetation weitgehend zerstört, und etwa die Hälfte des ursprünglichen Bodens wurde durch Erosion in den Ozean geschwemmt. Deshalb sind große Gebiete, die bei der Landung der Wikinger noch grün waren, heute leblose braune Wüsten ohne Bauwerke, Straßen oder sonstige Spuren menschlicher Besiedlung. Als die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA auf der Erde eine Region finden wollte, in der die Astronauten vor der ersten Mondlandung unter ähnlichen Verhältnissen wie auf dem Erdtrabanten trainieren konnten, suchte sie sich ein einstmals grünes Gebiet in Island aus, das heute völlig öde ist.
    Vier Elemente prägen die isländische Umwelt: Vulkane, Eis, Wasser und Wind. Island liegt im Nordatlantik knapp 1000 Kilometer westlich von Norwegen auf dem so genannten mittelatlantischen Rücken, wo die amerikanische und die eurasische Kontinentalplatte zusammenstoßen, sodass in regelmäßigen Abständen Vulkane vom Meeresboden aufsteigen und neues Land entstehen lassen - die größte dieser Inseln ist Island. Im Durchschnitt wird ungefähr alle zehn bis 20 Jahre mindestens ein isländischer Vulkan mit einem größeren Ausbruch aktiv. Neben den Vulkanen selbst besitzt Island so viele heiße Quellen und geothermisch aktive Regionen, dass die Häuser in großen Teilen des Landes (einschließlich der gesamten Hauptstadt Reykjavik) nicht mit fossilen Brennstoffen, sondern durch Anzapfen der vulkanischen Hitze geheizt werden.
    Das zweite wichtige Element der isländischen Landschaft ist das Eis. Es bildet sich in großen Teilen der Hochebene im Landesinneren und bleibt dort erhalten, weil es sich in bis zu 2085 Meter Höhe befindet, wo es hier, knapp unterhalb des nördlichen Polarkreises, sehr kalt ist. Wasser, das als Schnee und Regen zu Boden fällt, gelangt einerseits mit den Gletschern ins Meer, andererseits auch mit Flüssen, die in regelmäßigen Abständen Hochwasser führen, und gelegentlich in spektakulären, gewaltigen Überschwemmungen, wenn eine natürliche Lava- oder Eisbarriere an einem See nachgibt oder wenn ein Vulkanausbruch unter einer Eiskappe plötzlich eine Menge Eis schmelzen lässt. Und schließlich ist es in Island auch sehr windig. Wegen der Wechselwirkungen zwischen diesen vier Elementen - Vulkane, Kälte, Wasser und Wind - ist Island so empfindlich gegenüber der Erosion.
    Als die ersten Wikinger als Siedler nach Island kamen, müssen die Vulkane und heißen Quellen für sie ein fremdartiger Anblick gewesen sein, ganz anders als alles, was sie aus Norwegen oder von den Britischen Inseln kannten. Ansonsten aber sah die Landschaft vertraut und ermutigend aus. Fast alle Pflanzen und Vögel gehörten zu bekannten europäischen Arten. Die Niederungen waren vorwiegend mit einem niedrigen Wald aus Birken und Weiden bewachsen, die man zur Anlage von Viehweiden leicht abholzen konnte. In diesen gerodeten Gebieten, aber auch in Sümpfen und anderen niedrig gelegenen, von Natur aus baumlosen Gebieten sowie in den höheren Lagen oberhalb der Baumgrenze fanden die Siedler üppige Wiesen mit Gras, Kräutern und Moos vor, und dort herrschten ideale Bedingungen für die Haltung der Tiere, die sie bereits in Norwegen und auf den Britischen Inseln gezüchtet hatten. Der Boden war fruchtbar und an manchen Stellen bis zu 15 Meter tief. Trotz der Eiskappen in größerer Höhe und der Lage in der Nähe des

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