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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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vergleichende Methode an, um Gesellschaftszusammenbrüche zu verstehen, zu denen Umweltprobleme beigetragen haben. In meinem vorherigen Buch Arm und reich - Die Schicksale menschlicher Gesellschaften habe ich nach dem gleichen Verfahren die umgekehrte Frage untersucht: warum Gesellschaften während der letzten 13 000 Jahre auf den einzelnen Kontinenten so unterschiedlich schnell aufgestiegen sind. In dem vorliegenden Buch konzentriere ich mich nicht auf den Aufschwung, sondern auf den Zusammenbruch; ich vergleiche viele Gesellschaften aus Vergangenheit und Gegenwart im Hinblick auf die Unterschiede bei ökologischer Empfindlichkeit, Beziehungen zu Nachbarn, politischen Institutionen und anderen »Ausgangsvariablen«, die sich der Theorie zufolge auf ihre Stabilität auswirken. Die »Ergebnisvariablen«, die ich untersuche, sind Zusammenbruch oder Überleben, sowie die Form des Zusammenbruches, falls ein solcher stattfindet. Indem ich einen Zusammenhang zwischen Ergebnisvariablen und Ausgangsvariablen herstelle, möchte ich den Einfluss potenzieller Ausgangsvariablen auf den Zusammenbruch dingfest machen.
    Eine strenge, umfassende und quantitative Anwendung dieser Methode war im Zusammenhang mit den Zusammenbrüchen auf Pazifikinseln möglich, die durch das Abholzen der Wälder verursacht wurden. Die prähistorischen Völker im Pazifikraum rodeten die Wälder auf ihren Inseln in unterschiedlichem Umfang; manche taten kaum etwas, andere vernichteten die Wälder völlig, und die Folgen reichten von langfristigem Erhalt bis zum völligen Zusammenbruch, bei dem alle Menschen ums Leben kamen. Zusammen mit meinem Kollegen Barry Rolett erfasste ich auf 81 Pazifikinseln den Grad des Waldverlustes auf einer Zahlenskala, und ebenso vermaßen wir neun Ausgangsvariablen (beispielsweise Niederschlagsmenge, Isolation und Wiederherstellung der Fruchtbarkeit des Bodens), die sich unserem Postulat zufolge auf die Entwaldung auswirken sollten. Durch statistische Analysen konnten wir berechnen, wie stark die einzelnen Ausgangsvariablen die Entwaldung begünstigten. Ein weiteres vergleichendes Experiment war im Nordatlantikraum möglich: Hier besiedelten Wikinger aus Norwegen im Mittelalter sechs Inseln und Landmassen, die sich unterschiedlich gut für Landwirtschaft eigneten, den Handel mit Norwegen einfacher oder schwieriger machten und sich auch in anderen Ausgangsvariablen unterschieden; auch hier waren die Ergebnisvariablen sehr verschieden, vom schnellen Verlassen der Siedlung über den Tod aller Bewohner nach 500 Jahren bis hin zu Gesellschaften, die nach 1200 Jahren noch intakt waren. Darüber hinaus sind auch Vergleiche zwischen Gesellschaften aus verschiedenen Regionen der Erde möglich.
    Grundlage für alle derartigen Vergleiche sind genaue Kenntnisse über einzelne Gesellschaften, wie sie von Archäologen, Historikern und anderen Forschern in geduldiger Kleinarbeit zusammengetragen werden. Am Ende des Buches nenne ich viele hervorragende Bücher und Aufsätze über die alten Maya und Anasazi, die heutigen Ruander und Chinesen sowie andere Gesellschaften aus Vergangenheit und Gegenwart, die ich vergleiche. Diese Einzelstudien bilden die unentbehrliche Datenbasis für mein Buch. Aber darüber hinaus kann man aus solchen Vergleichen zwischen vielen Gesellschaften noch andere Schlüsse ziehen, die sich aus einer noch so detaillierten Analyse einer einzigen Gesellschaft nicht ableiten lassen. Um beispielsweise den berühmten Zusammenbruch der Maya-Gesellschaft zu verstehen, muss man nicht nur genau über die Geschichte und Umwelt der Maya Bescheid wissen; viel mehr Erkenntnisse kann man gewinnen, wenn man dieses Volk in einem größeren Zusammenhang betrachtet und mit anderen zusammengebrochenen oder nicht zusammengebrochenen Gesellschaften vergleicht, die den Maya in manchen Aspekten ähnelten und sich in anderen von ihnen unterschieden. Diese zusätzlichen Erkenntnisse sind nur mit der vergleichenden Methode möglich.
    Ich habe die Notwendigkeit guter Einzeluntersuchungen und guter Vergleiche so stark betont, weil Wissenschaftler, die das eine Verfahren praktizieren, den Beitrag des anderen häufig zu gering einschätzen. Spezialisten für die Geschichte einer Gesellschaft tun Vergleiche häufig als oberflächlich ab, und wer häufig vergleicht, findet die Untersuchung einer einzelnen Gesellschaft vielfach hoffnungslos engstirnig und misst ihr für das Verstehen anderer Gesellschaften nur einen begrenzten Wert bei. Aber wenn wir

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