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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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gut erschien. Später, nachdem die Wikinger ihre Besiedlungspläne aufgegeben hatten, besuchten sie noch über 300 Jahre lang die Küste Nordamerikas, um Holz zu holen (das in Grönland stets knapp war) und möglicherweise auch um Eisen unmittelbar an den Stellen zu gewinnen, wo genügend Holz zur Herstellung von Holzkohle (die in Grönland ebenfalls Mangelware war) für das Schmieden vorhanden war.
    Unsere Kenntnisse über die Versuche der Wikinger, Nordamerika zu besiedeln, stammen aus zwei Quellen: aus schriftlichen Überlieferungen und archäologischen Ausgrabungen. Die schriftlichen Berichte bestehen vor allem aus zwei Sagas über die ersten Entdeckungs- und Erkundungsreisen nach Vinland, die mehrere Jahrhunderte lang mündlich weitergegeben und im 13. Jahrhundert schließlich in Island schriftlich festgehalten wurden. Da diese Sagen nicht durch unabhängige Belege bestätigt wurden, taten Experten sie in der Regel als Phantasieprodukte ab und bezweifelten, dass die Wikinger tatsächlich in die Neue Welt gelangt waren. Beigelegt wurde die Debatte erst 1961, als Archäologen in Neufundland das Hauptlager der Wikinger entdeckten. Heute gelten die Sagas über Vinland als älteste schriftliche Berichte über Nordamerika; was ihren Wahrheitsgehalt in den Details angeht, sind die Fachleute allerdings nach wie vor geteilter Meinung. Es handelt sich um zwei getrennte Manuskripte namens Grönländer-Saga und Saga von Erik dem Roten ; beide stimmen in groben Zügen überein, unterscheiden sich aber in vielen Einzelheiten. Sie berichten über fünf Reisen von Grönland nach Vinland, die in dem kurzen Zeitraum von nur einem Jahrzehnt stattfanden; jede Reise wurde nur mit einem einzigen Schiff unternommen, mit Ausnahme der letzten, an der zwei oder drei Schiffe beteiligt waren.
    In den beiden Sagas über Vinland werden die wichtigsten Orte in Nordamerika, die von den Wikingern besucht wurden, kurz beschrieben und mit den altnordischen Namen Helluland, Markland, Vinland, Leifsbudir, Straumfjord und Hop bezeichnet. Wissenschaftler haben große Anstrengungen darauf verwendet, anhand der kurzen Beschreibungen die entsprechenden Orte zu identifizieren. So heißt es zum Beispiel: »Dieses Land (Markland) war flach und bewaldet, fiel zum Meer sanft ab, und sie stießen auf viele Strände mit weißem Sand ... Dieses Land wird nach dem benannt, was es zu bieten hat, und heißt Markland (Waldland).« Mit Helluland war offensichtlich die Ostküste der Baffininsel im arktischen Kanada gemeint, und Markland ist die Küste von Labrador südlich der Baffininsel; beide Gebiete liegen in gerader Linie westlich von Grönland jenseits der schmalen Davis-Straße, die Grönland von Nordamerika trennt. Um so weit wie möglich in Sichtweite des Landes zu bleiben, fuhren die Wikinger von Grönland nicht geradewegs über den offenen Nordatlantik nach Neufundland, sondern sie überquerten die Davis-Straße, gelangten so zur Baffininsel und folgten dann der Küste nach Süden. Die übrigen Ortsnamen in den Sagas beziehen sich offensichtlich auf kanadische Küstengebiete südlich von Labrador, unter anderem mit Sicherheit auf Neufundland, vermutlich auch den Golf des St.-Lorenz-Stromes sowie New Brunswick und Nova Scotia (die gemeinsam als Vinland bezeichnet wurden) sowie möglicherweise auch oft die Küste Neuenglands. Anfangs unternahmen die Wikinger in der Neuen Welt vermutlich lange Streifzüge, um die am besten geeigneten Gebiete zu finden - das Gleiche taten sie bekanntermaßen auch in Grönland, bevor sie für ihre Siedlungen die beiden Fjorde mit dem besten Weideland auswählten.
    Unsere zweite Quelle für Informationen über die Wikinger in der Neuen Welt sind die archäologischen Funde. Trotz intensiver Suche hat man nur ein einziges Wikingerlager finden und ausgraben können. Es liegt bei L’Anse aux Meadows an der Nordwestküste Neufundlands. Aus der Radiokarbondatierung weiß man, dass die Stelle ungefähr um das Jahr 1000 besiedelt wurde; dies stimmt mit den Berichten der Sagas überein, wonach die Reisen nach Vinland von den erwachsenen Kindern Eriks das Roten geleitet wurden, der die Besiedlung Grönlands organisierte und den Sagas zufolge zur Zeit der Reisen noch am Leben war. Die Ausgrabungsstätte von L’Anse aux Meadows, deren Lage zu der Beschreibung des Lagers Leifsbudir in den Sagas passt, besteht aus den Überresten von acht Gebäuden, darunter drei Versammlungshallen, die 80 Menschen fassten, eine Eisenschmiede zur

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