Kollaps
Schneehöhe muss man sie in Unterkünfte bringen und füttern. An archäologischen Fundstätten aus der Frühzeit findet man Schafe und Ziegen zusammen in ungefähr ebenso großer Zahl wie Rinder, ihr Anteil nahm aber im Lauf der Zeit zu und lag am Ende bei bis zu acht Schafen oder Ziegen je Kuh. Die Isländer hielten ungefähr sechs Mal so viele Schafe wie Ziegen, und das gleiche Verhältnis herrschte auch auf den besten Bauernhöfen Grönlands in den ersten Jahren der Besiedlung, aber im Lauf der Zeit veränderte sich die Relation, bis die Ziegen ungefähr ebenso zahlreich waren wie die Schafe. Im Gegensatz zu Schafen können Ziegen nämlich auch die harten Zweige, Sträucher und Zwergbäume verdauen, die auf schlechteren Weideflächen in Grönland vorherrschen. Während also Kühe bei der Ankunft der Wikinger in Grönland auf der Beliebtheitsskala vor Schafen und diese wiederum vor den Ziegen rangierten, war die Reihenfolge ihrer Eignung für die Verhältnisse in Grönland genau umgekehrt. Die meisten Bauern (insbesondere jene in der weiter nördlich gelegenen und deshalb weniger produktiven Westlichen Siedlung) mussten sich schließlich mit einer größeren Zahl der zuvor verachteten Ziegen und weniger Kühen zufrieden geben; nur die produktivsten Höfe in der Östlichen Siedlung konnten es sich leisten, ihrer Vorliebe für Kühe nachzugeben und die Ziegen zu verschmähen.
Die Ruinen der Ställe, in denen die Wikinger auf Grönland ihre Kühe neun Monate im Jahr hielten, sind noch heute zu sehen. Es waren lange, schmale Gebäude mit Mauern aus Stein und Rasen, die mehrere Meter dick waren, damit es im Inneren im Winter warm blieb - im Gegensatz zu den grönländischen Schaf- und Ziegenrassen konnten die Kühe keine Kälte vertragen. Jede Kuh wurde in ihrem eigenen, rechteckigen Verschlag gehalten; die steinernen Trennwände zwischen diesen Verschlägen sind in vielen Ruinen bis heute erhalten. Aus der Größe der Verschläge, der Höhe der Türen, durch die man die Kühe in den Stall und wieder hinaustrieb, sowie natürlich aus den ausgegrabenen Skeletten der Kühe selbst kann man berechnen, dass die grönländischen Rinder die kleinsten waren, die man in der Neuzeit kennt: Ihre Schulterhöhe war nicht größer als 1,20 Meter. Im Winter blieben sie ständig im Stall, und der Dung, den sie fallen ließen, sammelte sich als wachsende Schicht bis zum Frühjahr um sie herum an; erst dann wurde der Mist hinaustransportiert. Die Tiere bekamen im Winter das im Sommer geerntete Heu zu fressen, und wenn das nicht ausreichte, kam Seetang hinzu, den man ins Landesinnere transportierte. Den Tang mochten die Kühe aber offensichtlich nicht, sodass Arbeitskräfte den ganzen Winter über zwischen der steigenden Dungschicht im Stall bleiben mussten, um die Kühe, die allmählich immer kleiner und schwächer wurden, gegebenenfalls mit Gewalt zu füttern. Ungefähr im Mai, wenn der Schnee taute und neues Gras heranwuchs, konnte man die Kühe endlich ins Freie bringen und auf den Weiden sich selbst überlassen, aber mittlerweile waren sie so schwach, dass sie nicht mehr gehen konnten - man musste sie nach draußen tragen. Wenn Heu und Seetang in einem besonders harten Winter ausgingen, bevor das Wachstum des Grases wieder einsetzte, sammelten die Bauern im Frühjahr die ersten Weiden- und Birkenzweige, um ihre Tiere notdürftig zu füttern.
Kühe, Schafe und Ziegen dienten in Grönland vor allem zur Milchproduktion und nicht in erster Linie als Fleischlieferanten. Milch lieferten die Tiere nur in den wenigen Sommermonaten, nachdem sie im Mai oder Juni ihre Jungen zur Welt gebracht hatte. Die Wikinger verarbeiteten die Milch dann zu Käse, Butter und dem Joghurtähnlichen skyr. Die Produkte wurden in großen Fässern gelagert, die man zur Kühlung entweder in Bergbäche legte oder in grasgedeckten Häusern aufbewahrte, und im Winter wurden die Milchprodukte verzehrt. Ziegen hielt man auch wegen der Felle und Schafe wegen der Wolle, die von besonders guter Qualität war, weil Schafe in kaltem Klima eine fettige, von Natur aus Wasser abweisende Wolle hervorbringen. Fleisch von den Haustieren gab es nur, wenn die Bestände ausgedünnt wurden, insbesondere im Herbst - dann berechneten die Bauern, wie viele Tiere sie mit dem Heu, das sie in dem betreffenden Jahr eingebracht hatten, über den Winter bringen konnten. Alle übrigen Tiere wurden geschlachtet. Entsprechend knapp war das Fleisch der Haustiere, und deshalb waren die Knochen
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