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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Landes aufzumachen, das er widersinnigerweise auf den Namen Grönland getauft hatte. Als man in Island erfuhr, dass jeder auf Wunsch in Grönland eine gute Heimat finden konnte, machten sich während der nächsten zehn Jahre drei weitere Flotten mit Siedlern von Island auf den Weg. Um das Jahr 1000 waren dann praktisch alle Regionen um die Westliche und Östliche Siedlung, die sich für die Landwirtschaft eigneten, bereist, und die Wikingerbevölkerung bestand aus schätzungsweise 5000 Menschen: 1000 in der Westlichen und 4000 in der Östlichen Siedlung.
    Von diesen Siedlungen aus unternahmen die Normannen Erkundungsfahrten und jährliche Jagdausflüge nach Norden entlang der Westküste, und dabei drangen sie bis weit nördlich des Polarkreises vor. Einmal dürften sie bis auf 79 Grad nördlicher Breite gelangt sein, womit sie nur noch gut 1100 Kilometer vom Nordpol entfernt waren; auf dieser Höhe entdeckte man an einer archäologischen Stätte der Inuit zahlreiche Gegenstände der Wikinger, darunter Stücke von einem Kettenhemd, einen Zimmermannshobel und Schiffsnieten. Ein besser gesicherter Beleg für die Erkundung des Nordens ist ein Steinhaufen auf 73 Grad nördlicher Breite, der einen Runenstein (also einen Stein mit einer Inschrift in der Runenschrift der Wikinger) enthielt; dieser besagt, der Steinhaufen sei von Erling Sighvatsson, Bjarni Thordarson und Einridi Oddson am Samstag vor dem »Großen Bitttag« (dem 25. April) errichtet worden, und zwar wahrscheinlich um 1300.
    Ihren Lebensunterhalt bestritten die Normannen in Grönland mit einer Kombination aus Weidewirtschaft (Viehhaltung) und der Jagd auf wilde Tiere. Erik der Rote hatte bereits Tiere aus Island mitgebracht, im weiteren Verlauf wurden die Wikinger in Grönland aber auch in viel stärkerem Umfang von wild vorkommenden Lebensmitteln abhängig als in Norwegen und Island, wo die Menschen ihren Nahrungsbedarf wegen des milderen Klimas zum größten Teil durch Weidewirtschaft und (in Norwegen) auch durch Ackerbau decken konnten.
    Anfangs stützten sich die Siedler in Grönland mit ihren Bestrebungen auf die Tiere, die auch die wohlhabenden Häuptlinge in Norwegen hielten: zahlreiche Kühe und Schweine, weniger Schafe und noch weniger Ziegen sowie einige Pferde, Enten und Gänse. Wie man aus der Zahl der Tierknochen schließen kann, die man in Abfallhaufen aus verschiedenen Jahrhunderten der normannischen Besiedlung identifiziert und mit der Radiokarbonmethode datiert hat, stellte sich offenbar schnell heraus, dass diese hergebrachte Mischung sich für das kältere Klima in Grönland nicht sonderlich gut eignete. Zahme Enten und Gänse starben sofort, möglicherweise schon auf der Reise nach Grönland: Es gibt keine archäologischen Belege, dass sie dort überhaupt gehalten wurden. Schweine fanden in den Wäldern Norwegens zwar reichlich Nüsse als Nahrung, und die Wikinger zogen das Schweinefleisch allen anderen Fleischsorten vor, aber im locker bewaldeten Grönland erwiesen sich die Borstentiere als schreckliche, unprofitable Zerstörer, die den Boden mit seinen empfindlichen Pflanzen durchwühlten. Sie wurden schon nach kurzer Zeit stark dezimiert oder fast ganz abgeschafft. Packsättel und Schlitten aus archäologischen Fundstätten zeigen, dass Pferde als Arbeitstiere gehalten wurden, aber wegen eines christlichen Verbots wurden sie nicht gegessen, und deshalb gelangten ihre Knochen nur selten in die Abfallhaufen. Kühe waren im Klima Grönlands nur mit wesentlich größerem Aufwand zu halten als Schafe oder Ziegen, denn sie fanden nur in den drei schneefreien Sommermonaten ihr Futter auf der Weide. Während des restlichen Jahres musste man sie in Ställen halten und mit Heu oder anderem Futter versorgen, dessen Beschaffung im Sommer zur Hauptaufgabe der grönländischen Bauern wurde. Besser hätten die Grönländer ihre arbeitsintensiven Kühe aufgegeben, und im Lauf der Jahrhunderte ging ihre Zahl darum zurück, aber sie waren als Statussymbole so beliebt, dass man nicht völlig darauf verzichten wollte.
    Zu den Lieferanten für Grundnahrungsmittel wurden dagegen widerstandsfähige Schaf- und Ziegenrassen, die sich viel besser auf das kalte Klima einstellen konnten als die Rinder. Außerdem hatten sie den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu Kühen auch im Winter selbständig unter dem Schnee noch Gras zum Fressen fanden. Heute lässt man Schafe in Grönland jedes Jahr neun Monate im Freien, und nur in den drei Monaten mit der größten

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