Kollaps
heimisch war und demnach von den Wikingern eingeführt worden sein muss; sie diente zur Herstellung von Leinenstoff und Leinöl. Wenn die Wikinger auch andere Pflanzen anbauten, können diese zur Ernährung nur einen äußerst kleinen Beitrag geleistet haben; vermutlich dienten sie nur wenigen Adligen und Geistlichen gelegentlich als besondere Luxusspeise.
Der zweite wichtige Nahrungsbestandteil der Wikinger in Grönland war das Fleisch wilder Tiere, insbesondere von Karibus und Robben, das in viel größerem Umfang verzehrt wurde als in Norwegen oder Island. Karibus leben während des Sommers in großen Herden in den Bergen und kommen im Winter auf geringere Höhen herab. Funde von Karibuzähnen in normannischen Abfallhaufen beweisen, dass die Tiere im Herbst gejagt wurden; vermutlich veranstaltete man eine gemeinsame Treibjagd mit Hunden, bei der die Tiere mit Pfeil und Bogen erlegt wurden (die Abfallhaufen enthalten auch die Knochen großer skandinavischer Elchhunde). Bei den drei wichtigsten Robbenarten, auf die Jagd gemacht wurde, handelte es sich um den gemeinen Seehund, der das ganze Jahr über in Grönland zu Hause ist und im Frühjahr an den Stränden im oberen Teil der Fjorde seine Jungen zur Welt bringt, sodass man die Tiere von Booten aus leicht mit Netzen fangen oder einfach mit Knüppeln erschlagen kann, sowie um die Sattelrobbe und die Klappenmütze, zwei wandernde Robbenarten, die sich in Neufundland paaren, aber ungefähr im Mai in großen Rudeln an die grönländische Küste kommen, ohne sich aber in den oberen Teil der Fjorde und in die Nähe der meisten Wikingerhöfe zu begeben. Um diese Wanderrobben zu jagen, richteten die Wikinger am äußeren Teil der Fjorde, viele Dutzend Kilometer vom nächsten Bauernhof entfernt, jahreszeitliche Stützpunkte ein. Die Ankunft der Sattelrobben und Klappenmützen im Mai war für die Wikinger lebenswichtig, denn um diese Jahreszeit gingen sowohl die Vorräte der Milchprodukte aus dem vorangegangenen Sommer als auch das Fleisch der Karibus, das man im vorangegangenen Herbst gejagt hatte, allmählich zur Neige, andererseits war aber der Schnee auf den Höfen noch nicht so weit getaut, dass man das Vieh hätte auf die Weide treiben können; entsprechend hatten die Tiere auch noch keine Jungen zur Welt gebracht und produzierten noch keine Milch. Wie wir noch genauer erfahren werden, drohte bei Ausbleiben der Robbenwanderung eine Hungersnot, und den gleichen Effekt hatte auch jedes Hindernis (beispielsweise Eis in den Fjorden und entlang der Küste oder feindselige Inuit), das ihnen den Zugang zu den wandernden Robben versperrte. Entsprechende Eisverhältnisse herrschten vor allem in kalten Jahren, wenn die Wikinger nach einem kalten Sommer mit entsprechend geringer Heuproduktion ohnehin bereits gefährdet waren.
Durch chemische Analyse der Knochen (so genannte Kohlenstoff-Isotopenanalysen) kann man feststellen, in welchem Verhältnis das betreffende Tier oder auch ein Mensch im Lauf seines Lebens Nahrungsmittel aus dem Meer und vom Land zu sich genommen hat. Wendet man diese Methode auf die Wikingerskelette aus grönländischen Friedhöfen an, so stellt sich heraus, dass Nahrung aus dem Meer (insbesondere Robben) in der Östlichen Siedlung zur Zeit ihrer Gründung nur 20 Prozent der Ernährung ausmachten, aber dieser Anteil stieg in den letzten Jahren der Kolonie bis auf 80 Prozent an: Vermutlich war die Heuproduktion zur winterlichen Fütterung des Viehs zurückgegangen, und die gewachsene Bevölkerung brauchte mehr Lebensmittel, als die eigenen Tiere liefern konnten. Außerdem wurden in der Westlichen Siedlung stets mehr Meerestiere verbraucht als in der Südlichen, weil die weiter im Norden gelegene Siedlung weniger Heu produzierte. Möglicherweise verzehrten die Wikinger sogar noch mehr Robbenfleisch, als man aufgrund der Messungen vermutet, denn die Archäologen graben aus nachvollziehbaren Gründen eher reiche Höfe als ärmere Betriebe aus, und die verfügbaren Untersuchungen weisen daraufhin, dass die Menschen auf den kleinen, ärmeren Höfen, die nur eine einzige Kuh besaßen, mehr Robbenfleisch aßen als die reichen Bauern. Auf einem armen Bauernhof der Westlichen Siedlung stammten erstaunliche 70 Prozent aller Tierknochen in den Abfallhaufen von Robben.
Neben diesen großen Mengen von Robben und Karibus bezogen die Wikinger in geringerem Umfang auch Fleisch von kleinen Säugetieren (insbesondere Hasen), Seevögeln, Schneehühnern, Schwänen,
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