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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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konservative Gesellschaft, die sich Veränderungen widersetzte und im Vergleich zu der Wikingergesellschaft im heimatlichen Norwegen stärker an der alten Lebensweise festhielt. Die Machart von Werkzeugen und Schnitzereien veränderte sich über Jahrhunderte hinweg kaum. Die Fischerei gab man schon in den ersten Jahren der Siedlung auf, und diese Entscheidung wurde in den ganzen viereinhalb Jahrhunderten, in denen die Gesellschaft der Grönländer existierte, nicht revidiert. Sie lernten nicht von den Inuit, wie man Ringelrobben oder Wale jagt, obwohl das sogar bedeutete, dass sie auf reichlich vorhandene Nahrungsmittel verzichteten und deshalb hungern mussten. Letztlich dürfte hinter dieser konservativen Grundeinstellung der Grönländer die gleiche Ursache stehen, die meine isländischen Bekannten auch für die konservative Haltung ihrer eigenen Gesellschaft verantwortlich machen. Noch stärker als die Isländer befanden sich die Grönländer in einer äußerst schwierigen Umwelt. Ihnen gelang zwar die Entwicklung einer Wirtschaft, mit deren Hilfe sie über viele Generationen hinweg am Leben bleiben konnten, aber sie stellten fest, dass Abweichungen mit viel größerer Wahrscheinlichkeit katastrophale Folgen hatten, als dass sie Vorteile brachten. Das war ein stichhaltiger Grund, konservativ zu sein.
    Eine typische Woche im Leben eines grönländischen Bischofs: Die Saga von Einar Sokkason
    Als Sigurd Njalsson mit 14 Freunden auf der Jagd war, fand er ein gestrandetes Schiff voller wertvoller Fracht. Nicht weit davon, in einer Hütte, lagen die stinkenden Leichen der Besatzung und des Schiffskapitäns Arnbjorn. Sie waren verhungert. Sigurd brachte die Gebeine der Seeleute zur Bestattung in die Kathedrale von Gardar, und das Schiff selbst stiftete er dem Bischof Arnald für das Seelenheil der Verstorbenen. Was die Ladung anging, so beanspruchte er das Recht des Finders und teilte sie unter sich und seinen Freunden auf.
    Als Arnbjorns Neffe Ozur davon erfuhr, kam er mit Angehörigen anderer Besatzungsmitglieder nach Gardar. Sie sagten dem Bischof, ihrer Ansicht nach hätten sie als Erben ein Anrecht auf die Ladung. Darauf erwiderte der Bischof, in grönländischen Gesetzen seien die Rechte des Finders festgelegt; Fracht und Schiff sollten jetzt der Kirche gehören, damit sollten die Messen für die Seelen der toten Eigentümer der Ladung bezahlt werden, und es sei schäbig von Ozur und seinen Freunden, dass sie jetzt Anspruch auf die Ladung erhoben. Daraufhin erhob Ozur Klage bei der Grönländischen Volksversammlung, an der Ozur mit allen seinen Leuten teilnahm, aber auch Bischof sein Freund Einar Sokkason und viele ihrer Leute. Das Gericht entschied gegen Ozur, aber dem gefiel das Urteil überhaupt nicht und er fühlte sich gedemütigt; also zerstörte er Sigurds Schiff (das jetzt dem Bischof Arnald gehörte), indem er seitlich auf ganzer Länge Planken herausschnitt. Darüber wurde der Bischof so wütend, dass er erklärte, Ozur habe sein Leben verwirkt.
    Als der Bischof in der Kirche die Feiertagsmesse las, saß Ozur unter den Gläubigen und beschwerte sich beim Diener des Bischofs darüber, wie schlecht der Bischof ihn behandelt habe. Daraufhin nahm Einar einem anderen Gläubigen eine Axt aus der Hand und versetzte Ozur einen tödlichen Schlag. Der Bischof fragte Einar: »Einar, hast du Ozurs Tod verursacht?« - »Wohl wahr«, erwiderte Einar, »das habe ich.« Darauf antwortete der Bischof: »Solche Mordtaten sind nicht recht. Aber diese ist nicht ohne Rechtfertigung.« Der Bischof wollte Ozur keine kirchliche Bestattung gewähren, aber Einar warnte ihn, es stehe Ärger vor der Tür.
    Tatsächlich erklärte Simon, ein Verwandter Ozurs und ein großer, kräftiger Mann, jetzt sei nicht die Zeit für große Reden. Er sammelte seine Freunde Kolbein Thorljotsson, Keitel Kalfsson und viele Männer aus der Westlichen Siedlung um sich. Ein alter Mann namens Sokki Thorisson bot an, zwischen Simon und Einar zu vermitteln. Als Entschädigung für die Ermordung Ozurs bot Einar einige Gegenstände an, darunter eine alte Rüstung, die Simon zurückwies, weil sie Schrott sei. Kolbein schlich sich hinter Einar und schlug ihm seine Axt zwischen die Schultern, gerade als Einar seine eigene Axt auf Simons Kopf niederfahren ließ. Als sowohl Einar als auch Simon im Sterben lagen, sagte Einar: »Nichts anderes hatte ich erwartet.« Einars Pflegebruder Thord stürzte auf Kolbein zu, aber der konnte ihn sofort töten, indem er ihm

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