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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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seine Axt in den Hals trieb.
    Nun begannen Einars und Kolbeins Männer gegeneinander zu kämpfen. Ein Mann namens Steingrim sagte, sie sollten doch bitte aufhören zu streiten, aber beide Parteien waren so verrückt, dass sie Steingrim mit einem Schwert durchbohrten. Auf Kolbeins Seite waren am Ende außer Simon auch Krak, Thorir und Vighvat tot. Auf Einars Seite starben neben Einar auch Björn, Thorarin, Thord und Thorfinn, und auch Steingrim zählte zu Einars Partei. Viele Männer trugen schlimme Verletzungen davon. Bei einer Friedenskonferenz, die ein vernünftiger Bauer namens Hall organisierte, wurde Kolbeins Seite zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, weil Einars Partei mehr Männer verloren hatte. Dennoch war Einars Partei von dem Urteil tief enttäuscht. Kolbein stach nach Norwegen in See und nahm einen Eisbären mit, den er dem König Harald Gilli schenken wollte, aber dabei beklagte er sich immer noch, wie grausam er behandelt worden sei. König Harald hielt Kolbeins Geschichte für ein reines Lügengespinst und weigerte sich, für den Eisbären eine Prämie zu bezahlen. Also griff Kolbein den König an und verwundete ihn; dann segelte er nach Dänemark, aber unterwegs ertrank er.
    Das ist das Ende der Geschichte.
    Das letzte Adjektiv, das die Normannen in Grönland charakterisiert, lautet »eurozentrisch«. Die Grönländer bezogen aus Europa materielle Handelsgüter, aber noch wichtiger waren die ideellen Importe: ihre Identität als Christen und Europäer. Betrachten wir zunächst den materiellen Handel. Welche Waren wurden nach Grönland importiert, und mit welchen Exporten bezahlten die Grönländer dafür?
    Die Reise von Grönland nach Norwegen dauerte mit einem mittelalterlichen Segelschiff mindestens eine Woche und war sehr gefährlich; die Aufzeichnungen sprechen häufig von Schiffbrüchen oder von Schiffen, die ablegten und für immer verschwanden. Deshalb kamen jedes Jahr höchstens einige Schiffe aus Europa nach Grönland, manchmal sogar nur alle paar Jahre eines. Außerdem hatten europäische Frachtschiffe zu jener Zeit nur eine geringe Ladekapazität. Stellt man begründete Schätzungen über die Häufigkeit der Besucher, die Ladefähigkeit der Schiffe und die Bevölkerung Grönlands an, so kann man berechnen, dass die Importe sich auf etwa drei Kilo Fracht je Kopf und Jahr beliefen - im Durchschnitt. Die meisten Grönländer erhielten viel weniger, denn bei einem großen Teil der eintreffenden Ladungen handelte es sich um Material für die Kirchen und um Luxusgüter für die Oberschicht. Bei den Importen konnte es sich deshalb nur um wertvolle Gegenstände handeln, die relativ wenig Platz einnahmen. Insbesondere musste Grönland sich mit der Nahrung selbst versorgen und konnte sich nicht auf den Import von Massenwaren wie Getreide und anderen Grundnahrungsmitteln verlassen.
    Unsere Kenntnisse über die Importe nach Grönland stammen aus Listen in norwegischen Aufzeichnungen und aus Gegenständen europäischer Herkunft, die man an archäologischen Stätten in Grönland gefunden hat. Insbesondere handelte es sich dabei um dreierlei Güter: Eisen, das die Grönländer nur unter großen Schwierigkeiten selbst herstellen konnten, gutes Holz für Bauwerke und Möbel, das ebenfalls knapp war, und Teer als Schmiermittel sowie zur Konservierung von Holz. Sofern die Importwaren nicht der Wirtschaft dienten, waren sie vielfach für die Kirchen bestimmt: Kirchenglocken, farbige Glasfenster, Kerzenleuchter aus Bronze, Messwein, Leinen, Seide, Silber sowie Gewänder und Schmuck für die Geistlichen. Unter den weltlichen Luxusgütern, die man an archäologischen Stätten bei den Bauernhöfen gefunden hat, waren Zinn- und Keramikgefäße, Glasperlen und Knöpfe. Als Luxuslebensmittel importierte man in kleinen Mengen wahrscheinlich Salz als Konservierungsmittel sowie Honig, der zu Met vergoren wurde.
    Die gleichen Beschränkungen des Schiffsladeraumes wirkten sich natürlich auch auf die Gegenleistungen für diese Importe aus: Anders als das mittelalterliche Island und das heutige Grönland konnten die Bewohner keine großen Mengen von Fisch exportieren, selbst wenn sie diesem positiv gegenübergestanden hätten. Auch bei den Exportgütern musste es sich um Gegenstände mit geringem Volumen und hohem Wert handeln. Das waren unter anderem die Häute von Ziegen, Rindern und Robben; diese konnte man in Europa zwar auch aus anderen Ländern beziehen, aber sie wurden im Mittelalter auch in großen Mengen

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