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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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vielleicht, es sei für ihn ohne Bedeutung oder die Auswirkungen lägen noch weit in der Zukunft. Umgekehrt könnte ein Bauer versucht sein, Probleme seiner Region (zum Beispiel die Waldzerstörung) nicht ernst zu nehmen, weil er davon ausgeht, dass es woanders noch genügend Bäume gibt - was er aber in Wirklichkeit nicht weiß.
    Andererseits ist Tonga aber so groß, dass dort eine Zentralregierung unter einem König entstehen konnte. Dieser Herrscher hat im Gegensatz zu den einzelnen Bauern den Überblick über die gesamte Inselgruppe. Und im Gegensatz zu den Bauern hat er ein Motiv, sich für das langfristige Wohlergehen der gesamten Inselgruppe einzusetzen: Er bezieht seinen Reichtum von allen Inseln, ist das bisher letzte Glied in einer langen Kette von Herrschern und rechnet damit, dass auch seine Nachkommen für alle Zeiten in Tonga herrschen werden. Deshalb wird der König oder die Zentralregierung die ökologischen Ressourcen von oben nach unten bewirtschaften und allen Untertanen diejenigen Anweisungen geben, die für sie selbst langfristig gut sind, die sie aber mangels ausreichender Kenntnisse selbst nicht formulieren konnten.
    Dieser Weg von oben nach unten ist den Bewohnern der Industrieländer ebenso vertraut wie der von unten nach oben. Wir haben uns daran gewöhnt, dass staatliche Stellen - in den USA insbesondere die Staats- und Bundesbehörden - umweltpolitische und andere Maßnahmen ergreifen, die das ganze Land betreffen: Angeblich haben die staatlichen Institutionen über einen Bundesstaat oder das ganze Land einen Überblick, der über die Fähigkeiten der meisten einzelnen Bürger hinausgeht. Die Bewohner des Bitterroot Valley in Montana zum Beispiel haben ihr eigenes Teller Wildlife Refuge, die Hälfte aller Flächen im Tal ist aber als nationaler Wald oder unter der Aufsicht des Bureau of Land Management im Besitz von Bundesbehörden oder wird von ihnen verwaltet.
    Traditionelle, mittelgroße Gesellschaften, die auf mittelgroßen Inseln oder in entsprechenden Regionen leben, eignen sich unter Umständen für keine dieser beiden Methoden. Die Insel ist dann so groß, dass ein einzelner Bauer nicht über alle Teile den Überblick haben und sich dort einsetzen kann. Wegen Feindseligkeiten zwischen den Häuptlingen aus benachbarten Tälern kommt es nicht zu Übereinkünften und koordinierten Maßnahmen, und häufig tragen sie sogar zur Umweltzerstörung bei: Jeder Häuptling verübt Überfälle, um auf dem Land des Rivalen Bäume zu fällen und Schaden anzurichten. Andererseits ist die Insel aber zu klein, als dass eine Zentralregierung entstehen und das ganze Land kontrollieren könnte. Dieses Schicksal erlitt Mangaia, und ähnlich erging es vermutlich in der Vergangenheit auch anderen mittelgroßen Gesellschaften. Nachdem heute die ganze Welt in Staaten organisiert ist, stehen mittelgroße Gesellschaften wahrscheinlich weniger häufig einem solchen Dilemma gegenüber, aber in Ländern mit schwacher Staatsgewalt kann es nach wie vor entstehen.
    Um diese unterschiedlichen Wege zum Erfolg genauer zu erläutern, möchte ich jetzt kurz über zwei kleine Gesellschaften (im Hochland von Neuguinea und auf Tikopia) berichten, bei denen die Methode von unten nach oben funktioniert hat; anschließend erörtere ich eine große Gesellschaft (Japan, heute das Land mit der achtgrößten Bevölkerung der Welt, in der Tokogawazeit), wo man von oben nach unten Erfolg hatte. Bei den Umweltproblemen handelte es sich in allen drei Fällen um Waldzerstörung, Erosion und nachlassende Bodenfruchtbarkeit. Aber auch viele andere historische Gesellschaften haben mit ähnlichen Methoden ihre Probleme bei Wasserversorgung, Jagd und Fischerei gelöst. Außerdem sollte man sich klarmachen, dass die Ansätze von unten nach oben und von oben nach unten in einer großen Gesellschaft, die als hierarchische Pyramide organisiert ist, auch nebeneinander existieren können. In den Vereinigten Staaten und anderen demokratischen Ländern arbeiten beispielsweise lokale Gruppen von unten nach oben, und daneben verwalten zahlreiche staatliche Ebenen (Kommunen, Kreise, Bundesstaaten und Staaten) ihre Zuständigkeitsbereiche von oben nach unten.
    Mein erstes Beispiel und eine der großen Erfolgsgeschichten über Verwaltung von unten nach oben ist das Hochland von Neuguinea. Auf Neuguinea leben die Menschen schon seit 46 000 Jahren autark. Bis vor kurzer Zeit gab es keine nennenswerten wirtschaftlichen Zuflüsse aus Gesellschaften

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