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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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zurück. Als Dünger setzten sie dem Boden Kompost aus Unkräutern, Gras, abgestorbenen Ranken und anderem organischem Material in einer Menge von bis zu 40 Tonnen je Hektar zu. Auf die Bodenoberfläche brachten sie Abfälle, Asche von Feuern, abgemähte Pflanzen von Brachfeldern, verrottetes Holz und Hühnerdung als Mulch und Dünger auf. Rund um die Felder legten sie Gräben an, um den Grundwasserspiegel abzusenken und Überschwemmungen zu verhindern, und der organische Schlamm aus diesen Gräben wurde auf die Bodenoberfläche befördert. Bohnen und andere Hülsenfrüchte, die atmosphärischen Stickstoff fixieren, wurden im Wechsel mit den übrigen Nutzpflanzen angebaut - damit hatte man in Neuguinea unabhängig das Rotationsprinzip erfunden, das heute in der Landwirtschaft der Industrieländer häufig dazu dient, im Boden einen ausreichenden Stickstoffgehalt aufrecht zu erhalten. An steilen Berghängen legten die Menschen in Neuguinea Terrassen an; sie errichteten Barrieren, die den Boden festhielten, und überschüssiges Wasser wurde natürlich durch die senkrechten Gräben abgeleitet. Wegen dieser vielen spezialisierten Methoden muss man jahrelang in einem Dorf im Hochland Neuguineas aufgewachsen sein, um dort erfolgreich Landwirtschaft betreiben zu können. Meine Bekannten aus der Region, die ihr Dorf ausbildungsbedingt für mehrere Jahre verlassen hatten, mussten nach ihrer Rückkehr feststellen, dass sie die familieneigenen Felder nicht mehr bestellen konnten - sie hatten zahlreiche höchst komplizierte Kenntnisse einfach nicht mitbekommen.
    Nachhaltige Landwirtschaft wirft im Hochland von Neuguinea nicht nur schwierige Probleme mit der Fruchtbarkeit des Bodens auf, sondern auch die Holzversorgung ist schwierig. Man muss Wälder roden, um Felder und Dörfer anzulegen. Die traditionelle Lebensweise im Hochland war aus mehreren Gründen nicht ohne Bäume möglich: Man brauchte Holz zum Bau von Häusern und Zäunen, zur Herstellung von Werkzeugen und Waffen sowie als Brennstoff zum Kochen und zur Beheizung der Hütten in den kalten Nächten. Ursprünglich war das Hochland von Eichen- und Buchenwäldern bedeckt, aber nach jahrtausendelanger Landwirtschaft waren die am dichtesten besiedelten Gebiete (insbesondere das Wahgi-Tal in Papua-Neuguinea und das Baliem-Tal im indonesischen Teil der Insel) bis auf eine Höhe von 2400 Metern völlig entwaldet. Woher bekamen die Bewohner das benötigte Holz?
    Schon am ersten Tag meines Besuches in dem Hochland im Jahr 1964 sah ich in Dörfern und Gärten Gehölze von Kasuarinenbäumen einer ganz bestimmten Spezies. Die Kasuarinen, auch Eisenholzbäume genannt, sind eine Gruppe von mehreren Dutzend Baumarten mit Blättern, die Kiefernnadeln ähneln; sie sind auf den Pazifikinseln, in Australien und Südostasien sowie im tropischen Ostafrika heimisch, wurden aber auch in vielen anderen Gegenden eingeführt, weil sie ein leicht spaltbares, aber sehr hartes Holz besitzen (daher der Name »Eisenholz«). Die Spezies Casuarina oligodon ist im Hochland Neuguineas zu Hause und wird dort von mehreren Millionen Bewohnern in großem Umfang angebaut: Sie verpflanzen Keimlinge, die sich von Natur aus an Flussufern entwickelt haben. Auch mehrere andere Baumarten werden dort auf die gleiche Weise angepflanzt, aber die Kasuarine ist mit Abstand die häufigste. Sie wird in derart großen Umfang verpflanzt, dass man die Methode heute als »Silvikultur« bezeichnet: Statt Feldpflanzen, wie in der konventionellen Landwirtschaft, werden Bäume angebaut (silva ist das lateinische Wort für Wald, ager bedeutet »Acker«, und cultura ist der Anbau).
    Europäische Forstexperten kommen erst jetzt allmählich dahinter, welche besonderen Vorteile Casuarina oligodon bietet und welchen Nutzen die Hochlandbewohner aus den Anpflanzungen ziehen. Die Bäume dieser Spezies wachsen schnell. Ihr Holz eignet sich ausgezeichnet zum Bauen und als Brennstoff. Die Wurzelknöllchen fixieren Stickstoff, und die Bäume lassen viel Laub zu Boden fallen, sodass dieser sowohl mit Stickstoff als auch mit Kohlenstoff angereichert wird. Zwischen bebauten Feldern angepflanzt, steigern die Kasuarinen also die Fruchtbarkeit, und wenn sie auf aufgegebenen Feldern wachsen, verkürzt sich die Zeit, die man das Gelände brach liegen lassen muss, damit seine Fruchtbarkeit sich erholt und die Anpflanzungen neuer Nutzpflanzen ermöglicht. Die Wurzeln halten den Boden an steilen Abhängen fest und vermindern damit die Erosion. Die Bauern

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