Kollaps
beschrieben, die selbst verursachte oder bereits vorhandene Umweltprobleme nicht lösen konnten und unter anderem deshalb schließlich zusammenbrachen: Osterinsel, Pitcairn, Henderson, die Anasazi, die klassischen Maya im Tiefland, und Normannisch-Grönland. Ich habe mich bei ihrem Scheitern so lange aufgehalten, weil wir daraus vieles lernen können. Es ist aber durchaus nicht so, dass alle historischen Gesellschaften zur ökologischen Katastrophe verdammt waren: Die Isländer überleben schon seit über 1100 Jahren unter schwierigen ökologischen Bedingungen, und viele andere Gesellschaften haben Jahrtausende überstanden. Auch diese Erfolgsgeschichten sind für uns lehrreich, außerdem bieten sie Hoffnung und Anregung. Sie lassen darauf schließen, dass es zur Lösung ökologischer Probleme zwei ganz unterschiedliche Ansätze gibt, die wir als »Methode von unten nach oben« und »Methode von oben nach unten« bezeichnen können.
Diese Erkenntnis ergibt sich insbesondere aus den Arbeiten des Archäologen Patrick Kirch, der auf Pazifikinseln unterschiedlicher Größe tätig war und Gesellschaften mit ganz unterschiedlichem Schicksal untersucht hat. Die winzige, nur 4,7 Quadratkilometer große Insel Tikopia war nach 3000 Jahren immer noch nachhaltig besiedelt; das mittelgroße Mangaia (70 Quadratkilometer) erlebte durch Waldzerstörung einen ganz ähnlichen Zusammenbruch wie die Osterinsel; und Tonga, die größte der drei Inseln (746 Quadratkilometer), wird seit 3200 Jahren mehr oder weniger nachhaltig bewirtschaftet. Warum gelang es den Menschen auf der kleinen und der großen Insel, ihre Umweltprobleme letztlich in den Griff zu bekommen, während es auf der mittelgroßen Insel fehlschlug? Nach Kirchs Ansicht gelangten die kleine und die große Insel auf entgegengesetzten Wegen zum Erfolg, und auf der mittelgroßen Insel ließ sich keine der beiden Methoden anwenden.
Kleine Gesellschaften auf Inseln oder in begrenzten Regionen können ihre Umwelt »von unten nach oben« bewirtschaften. Da das Gebiet so klein ist, sind alle Bewohner mit allen seinen Regionen vertraut: Sie wissen, dass sie von jeder Entwicklung auf ihrer Insel betroffen sind und teilen mit allen anderen Bewohnern ein Gefühl der gemeinsamen Identität und gemeinsame Interessen. Jedem ist klar, dass er von eigenen vernünftigen ökologischen Maßnahmen und von denen der Nachbarn profitiert. Das ist Bewirtschaftung von unten nach oben: Durch Zusammenarbeit lösen die Menschen ihre Probleme.
Eine solche Bewirtschaftung von unten nach oben kennen wir meist aus unserem unmittelbaren Wohn- oder Arbeitsumfeld. In der Straße in Los Angeles, wo ich wohne, gehören beispielsweise alle Hausbesitzer dem örtlichen Grundbesitzerverband an, der zu unser aller Nutzen für ein sicheres, harmonisches, attraktives Wohnumfeld sorgen soll. Wir wählen jedes Jahr einen Vorstand, diskutieren auf der Jahresversammlung unsere Vorgehensweisen, und stellen der Organisation über unsere Mitgliedsbeiträge einen Jahresetat zur Verfügung. Mit diesem Geld unterhält der Verband Blumenrabatten an den Straßenkreuzungen, er verlangt, dass Grundbesitzer nicht ohne stichhaltige Gründe ihre Bäume fällen, begutachtet Baupläne, damit keine hässlichen oder übergroßen Häuser entstehen, schlichtet Nachbarschaftsstreitigkeiten und vertritt in Fragen, die das ganze Viertel betreffen, unsere Interessen gegenüber den städtischen Behörden. Ein anderes Beispiel habe ich in Kapitel 1 erwähnt: Bei Hamilton im Bitterroot Valley in Montana haben sich Grundbesitzer zusammengetan und betreiben gemeinsam das Teller Wildlife Refuge; damit tragen sie zur Wertsteigerung ihrer eigenen Immobilien bei und verbessern sowohl die allgemeine Lebensqualität als auch die Gelegenheiten für Fischerei und Jagd - und das, obwohl die Probleme der Vereinigten Staaten oder der ganzen Welt damit nicht gelöst werden.
Der umgekehrte Weg, das Vorgehen von oben nach unten, eignet sich für große Gesellschaften mit zentralisierter politischer Organisation wie im polynesischen Tonga. Diese Inselgruppe ist viel zu groß, als dass ein einziger Bauer den ganzen Archipel oder auch nur eine der größeren Inseln vollständig kennen könnte. In einer entfernten Ecke der Inselgruppe könnte ein Problem auftauchen, von dem der Bauer anfangs nichts weiß, das sich aber am Ende für seine Lebensweise als tödlich erweist. Und selbst wenn er davon wüsste, würde er es vielleicht als unwichtig abtun: Er glaubt
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