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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Methoden gab. Anders als in Europa, das zu jener Zeit in Hunderte von Fürstentümern oder Staaten zerfiel, war das Japan der Tokugawazeit ein einziges, einheitlich verwaltetes Land. Der Südwesten liegt zwar in subtropischen und der Norden in gemäßigten Breiten, im ganzen Lande gibt es aber reichlich Niederschläge, steile Abhänge und erosionsanfällige Böden vulkanischen Ursprungs: steile, bewaldete Gebirge wechseln mit flachem Ackerland ab. Damit herrschten mehr oder weniger einheitliche ökologische Voraussetzungen für die Silvikultur. Im Gegensatz zur traditionellen Mehrfachnutzung der Wälder, bei der die Oberschicht das Bauholz für sich beanspruchte und die Bauern Dünger, Futter und Brennholz sammelten, diente die Plantagen-Forstwirtschaft ganz gezielt vor allem der Produktion von Bauholz, und andere Nutzungsarten waren nur insoweit gestattet, als sie dieses Hauptziel nicht gefährdeten. In den Wäldern patrouillierten Wächter, die gegen illegale Abholzung vorgingen. Zwischen 1750 und 1800 setzte sich die Plantagen-Forstwirtschaft in Japan allgemein durch, und seit 1800 stieg die Holzproduktion, die seit langer Zeit zurückgegangen war, wieder an.
    Wer 1650 als außenstehender Beobachter nach Japan gekommen wäre, hätte wahrscheinlich prophezeit, dass die Gesellschaft des Landes wegen der katastrophalen Waldzerstörung am Rand eines Zusammenbruchs stand, weil immer mehr Menschen um immer weniger Ressourcen konkurrierten. Warum gelang es im Japan der Tokugawazeit, von oben nach unten eine Lösung zu entwickeln und so die endgültige Vernichtung der Wälder abzuwenden, während dies auf der Osterinsel, bei den Maya und Anasazi sowie heute in Ruanda (Kapitel 10) und Haiti (Kapitel 11) fehlschlug? Diese Frage ist nur ein Sonderfall des umfassenderen Problems, mit dem wir uns im Kapitel 14 auseinander setzen werden: Warum und in welchen Stadien kommt es in der Entscheidungsfindung von Gruppen zum Erfolg oder zu Fehlschlägen?
    Die üblichen Erklärungen, die in der Regel für den Erfolg der Japaner in der mittleren und späten Tokugawazeit angeführt werden - eine angebliche Liebe zur Natur, der buddhistische Respekt für das Lebendige oder eine konfuzianische Weltanschauung - kann man schnell zu den Akten legen. Erstens bieten diese einfachen Phrasen keine zutreffende Beschreibung der wirklichen, vielschichtigen Einstellungen der Japaner, und zweitens hinderten sie die Bewohner in der frühen Tokugawazeit auch nicht daran, die Ressourcen des Landes übermäßig auszubeuten; außerdem stehen sie auch im modernen Japan der Ausbeutung der Ressourcen im Meer und in anderen Ländern nicht entgegen. In Wirklichkeit hat die Antwort unter anderem mit Japans ökologischen Vorteilen zu tun: Zum Teil handelt es sich dabei um die gleichen Faktoren, mit denen wir in Kapitel 2 bereits erklärt haben, warum die Osterinsel sowie einige weitere Inseln in Polynesien und Melanesien am Ende keinen Wald mehr besaßen, während Tikopia, Tonga und andere nicht so endeten. Die Bewohner der zuletzt genannten Inseln hatten das Glück, dass sie in einer ökologisch widerstandsfähigen Umgebung lebten, wo Bäume auf abgeholzten Flächen schnell nachwuchsen. Wie auf den ökologisch robusten Inseln Polynesiens und Melanesiens, so erholen sich Wälder auch in Japan schnell, weil die Niederschlagsmenge hoch ist, weil viel Vulkanasche niedergeht, weil Staub aus Asien die Fruchtbarkeit des Bodens wieder herstellt, und weil die Böden jung sind. Ein anderer Teil der Antwort liegt in den Vorteilen der japanischen Gesellschaft: Sie besaß bereits vor der Waldkrise einige notwendige Eigenschaften, sodass diese sich nicht erst als Reaktion darauf entwickeln mussten. Zu diesen Merkmalen gehörte das Fehlen von Ziegen und Schafen, die in vielen anderen Ländern den Boden abweideten und verheerende Auswirkungen auf die Wälder hatten. Außerdem nahm die Zahl der Pferde in der frühen Tokugawazeit ab, weil die Kriege zu Ende waren und keine Kavallerie mehr gebraucht wurde. Und drittens waren ausreichend Nahrungsmittel aus dem Meer verfügbar, sodass die Wälder als Protein- und Düngerlieferanten weniger stark belastet wurden. Ochsen und Pferde dienten in Japan als Zugtiere, aber deren Zahl wurde wegen der Waldzerstörung und des damit verbundenen Futtermangels vermindert, und an ihrer Stelle zogen Menschen die Pflüge, Eggen und andere landwirtschaftliche Geräte.
    Als weitere Erklärung kann man eine Fülle von Faktoren anführen, die dazu

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