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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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führten, dass sowohl die Oberschicht als auch die einfachen Menschen in Japan weitaus stärker als in den meisten anderen Ländern erkannten, wie wichtig die Erhaltung der Wälder auf lange Sicht war. Die To- kugawashoguns, die dem Land bereits Frieden gebracht und die rivalisierenden Armeen beseitigt hatten, gingen zu Recht davon aus, dass kaum die Gefahr eines Aufstandes im eigenen Land oder einer Invasion von Übersee bestand. Sie rechneten damit, dass ihre eigene Familie in Japan an der Macht bleiben würde, was tatsächlich 250 Jahre lang der Fall war. Frieden, politische Stabilität und ein gerechtfertigtes Vertrauen in die eigene Zukunft waren also für die Tokugawashoguns ein Anreiz, in die langfristige Zukunft ihres Herrschaftsgebiets zu investieren und dafür zu planen. Dagegen konnten oder können die Mayakönige sowie die Präsidenten von Haiti und Ruanda nicht damit rechnen, dass ihre eigenen Söhne ihnen nachfolgen werden oder dass sie auch nur selbst ihre Amtszeit zu Ende führen können. Die japanische Gesellschaft war (und ist noch heute) ethnisch und religiös relativ einheitlich; die Unterschiede, die in Ruanda sowie möglicherweise auch bei den Maya und Anasazi zur gesellschaftlichen Destabilisierung führten, gibt es dort nicht. Wegen seiner isolierten Lage, des fast nicht vorhandenen Außenhandels und der Ablehnung einer Expansion in andere Länder lag es im Japan der Tokugawazeit auf der Hand, dass man auf die eigenen Ressourcen angewiesen war und seine Bedürfnisse nicht durch Ausbeutung der Rohstoffe anderer Länder befriedigen konnte. Das gleiche Prinzip galt auch nach innen: Nachdem der shogun im ganzen Land den Frieden durchgesetzt hatte, wussten die Menschen, dass sie ihren Holzbedarf nicht befriedigen konnten, indem sie sich des Holzes eines japanischen Nachbarn bemächtigten. Oberschicht und Bauern lebten in Japan in einer stabilen Gesellschaft, die von außen nicht von neuen Ideen beeinflusst wurde; deshalb rechneten alle damit, dass die Zukunft so sein würde wie die Gegenwart und dass man deshalb zukünftige Probleme mit gegenwärtigen Mitteln lösen musste.
    Die wohlhabenden Bauern der Tokugawazeit gingen in der Regel davon aus, dass ihr Landbesitz an ihre eigenen Erben übergehen würde, und die gleiche Hoffnung hatten auch die ärmeren Dorfbewohner. Dies war einer der Gründe, warum die eigentliche Verwaltung der Wälder Japans zunehmend in den Händen von Menschen lag, die daran ein ureigenes Interesse hatten - entweder weil sie erwarteten oder hofften, dass ihre Kinder die Nutzungsrechte erben würden, oder weil sie unterschiedlich gestaltete, langfristige Pachtverträge hatten. So wurden beispielsweise die Gemeindeflächen der Dörfer vielfach in Parzellen für einzelne Haushalte aufgeteilt, was die Tragödie der Gemeingüter, von der in Kapitel 14 noch die Rede sein wird, auf ein Minimum beschränkte. Andere dorfeigene Wälder wurden nach Abnahmeverträgen bewirtschaftet, die man lange vor der Abholzung abgeschlossen hatte. Die Regierung handelte langfristige Verträge über ihre eigenen Wälder aus und vergab den Holzertrag an ein Dorf oder einen Kaufmann, der als Gegenleistung den Wald bewirtschaftete. Aus allen diesen politischen und sozialen Gründen lag es im Interesse des shogun, der daimyo und der Bauern, die Wälder nachhaltig zu bewirtschaften. Und aus den gleichen Gründen lag es nach dem Maireki-Brand auf der Hand, dass eine kurzfristige, übermäßige Ausbeutung der Wälder töricht gewesen wäre.
    Natürlich handeln auch Menschen mit langfristigen Interessen nicht immer klug. Oft sind ihnen kurzfristige Ziele wichtiger, und häufig tun sie auch Dinge, die sowohl auf kurze als auch auf lange Sicht unvernünftig sind. Das ist der Grund, warum Biographie und Geschichte unendlich viel komplizierter und weniger berechenbar sind als der Verlauf chemischer Reaktionen, und es ist auch der Grund, warum dieses Buch keinen ökologischen Determinismus predigt. Verantwortungsträger, die nicht nur passiv reagieren, sondern den Mut haben, Krisen vorauszusehen und frühzeitig zu handeln, und die dann im Rahmen einer Bewirtschaftung von oben nach unten weitsichtige, folgenschwere Entscheidungen treffen, können in ihrer jeweiligen Gesellschaft viel bewirken. Das Gleiche gilt für couragierte, mutige Bürger, die von unten nach oben tätig werden. Das erste Prinzip machen die shoguns der Tokugawazeit deutlich, für das zweite sind meine Freunde, die in Montana Land besitzen und

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