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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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detaillierte gesellschaftliche Normen durchsetzen konnten, mit deren Hilfe die Angehörigen jeder Kaste dafür sorgen, dass ihre Ressourcen nachhaltig genutzt werden.

Es bleibt die Frage, warum die in Kapitel 9 beschriebenen Gesellschaften Erfolg hatten, während die meisten anderen, die in den Kapiteln 2 bis 8 erörtert wurden, scheiterten. Zum Teil ist dies mit den unterschiedlichen ökologischen Verhältnissen zu erklären: Die Umwelt war in manchen Fällen empfindlicher und stellte die Menschen vor größere Herausforderungen als in anderen. In Kapitel 2 war bereits von den vielen Gründen die Rede, warum die Umwelt auf Pazifikinseln mehr oder weniger empfindlich ist, und diese Gründe erklären zum Teil, warum die Gesellschaft auf der Osterinsel und Mangareva zusammenbrach, während das auf Tikopia nicht geschah. Ähnliches gilt auch für die Erfolgsgeschichten aus dem Hochland von Neuguinea und dem Japan der Tokugawazeit, von denen in diesem Kapitel die Rede war: Die beteiligten Gesellschaften hatten das Glück, dass sie in einer relativ widerstandsfähigen Umwelt lebten.
    Aber ökologische Unterschiede sind nicht die einzige Erklärung - das beweisen die Beispiele aus Grönland und dem Südwesten der Vereinigten Staaten, wo eine Gesellschaft Erfolg hatte, während andere, die in der gleichen Umwelt eine andere Wirtschaft praktizierten, zugrunde gingen. Demnach ist also nicht nur die Umwelt von Bedeutung, sondern die Menschen müssen sich auch für die richtige Wirtschaftsform entscheiden, die in diese Umwelt passt. Der letzte große Teil des Puzzles ist dann die Frage, ob eine Gesellschaft diese passende Form der Wirtschaft auch nachhaltig praktiziert. Unabhängig davon, auf welche Ressourcen eine Wirtschaft sich stützt - ob auf Ackerbau, Weidepflanzen, Fischerei, Jagd oder das Sammeln von kleinen Pflanzen und Tieren -, entwickeln sich in manchen Gesellschaften die Methoden, mit denen eine übermäßige Ausbeutung vermieden wird, während andere in dieser Hinsicht scheitern. In Kapitel 14 wird von drei Fehlern die Rede sein, die es zu vermeiden gilt. In den nächsten vier Kapiteln wollen wir uns aber zunächst mit Gesellschaften unserer Zeit befassen und sie mit jenen aus der Vergangenheit vergleichen, die ich seit Kapitel 2 beschrieben habe.

 
     
     
     TEIL DREI     
     
     
     
     
GESELLSCHAFTEN VON HEUTE
     

KAPITEL 10
Malthus in Afrika: Der Völkermord von Ruanda
    Ein Dilemma ■ Die Ereignisse in Ruanda ■ Mehr als ethnischer Hass ■ Spannungen in Kanama ■ Explosion in Kanama ■ Warum es geschah
    Als meine beiden Söhne - sie sind Zwillinge - zehn waren, und dann noch einmal fünf Jahre später, nahmen meine Frau und ich sie zum Familienurlaub mit nach Ostafrika. Wie viele andere Touristen, so waren auch wir vier überwältigt von unseren hautnahen Begegnungen mit Großwild, Landschaft und Menschen. Auch wenn wir noch so oft in der Gemütlichkeit unseres Wohnzimmers gesehen hatten, wie Gnus in National Geographic-Dokumentarfilmen über den Fernsehschirm gezogen waren: Als wir im Landrover saßen und die Herde von Millionen dieser Tiere sich in alle Richtungen bis zum Horizont erstreckte, waren wir auf den Anblick, die Geräusche und Gerüche nicht vorbereitet. Ebenso wenig hatte das Fernsehen uns die gewaltige Größe des Ngorongoro-Kraters mit seinem flachen, baumlosen Kraterboden vermittelt, und wir hatten nicht gewusst, wie steil und hoch seine Innenwände sind, die man von dem Touristenhotel am Kraterrand hinunterfahren muss.
    Auch von den Menschen Ostafrikas waren wir überwältigt: von ihrer Freundlichkeit, ihrem warmherzigen Umgang mit unseren Kindern, ihrer farbenfrohen Kleidung - und ihrer schieren Zahl. Abstrakt etwas über »die Bevölkerungsexplosion« zu lesen, ist ganz etwas anderes, als wenn man Tag für Tag die afrikanischen Kinder, viele von ihnen so groß und so alt wie meine Söhne, in langen Reihen am Straßenrand sitzen sieht, weil sie die vorüberfahrenden Touristen um einen Bleistift anbetteln wollen, den sie in der Schule gebrauchen können. Die Auswirkungen dieser Menschen auf die Landschaft erkennt man sogar an Straßenabschnitten, wo gerade keine Menschen sind, weil sie anderes zu tun haben. Das Gras auf den Weiden wächst spärlich und wird von Rinder-, Schaf- und Ziegenherden ganz kurz abgeweidet. Man sieht frische Erosionsgräben, und das Wasser, das darin fließt, ist braun von dem Schlamm, den es aus den nackten Weideflächen auswäscht.
    In ihrer

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