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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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setzten unter Berufung auf konfuzianische Prinzipien eine offizielle Ideologie durch, die dazu aufrief, den Verbrauch einzuschränken, Reserven anzulegen und so das Land vor Katastrophen zu schützen.
    Zu der Veränderung gehörte auch, dass man mit der Lebensmittelversorgung stärker auf Meereslebewesen und auf den Handel mit den Ainu zurückgriff, um so die Landwirtschaft zu entlasten. Die Ausweitung der Fischerei ging mit der Einführung neuer Methoden einher, beispielsweise mit der Verwendung sehr großer Netze und dem Fischfang in der Tiefsee. Die einzelnen daimyo und Dörfer beanspruchten jetzt auch das an ihr Land angrenzende Meer für sich: Man hatte erkannt, dass die Fisch- und Schalentierbestände begrenzt waren und unter Umständen zur Neige gehen würden, wenn jeder in jedem beliebigen Territorium ungehindert fischen konnte. Die Belastung der Wälder durch Gewinnung grünen Düngers für die Felder wurde vermindert, weil man in wesentlich größerem Umfang Fischmehl zu diesem Zweck einsetzte. Die Jagd auf Meeressäuger (Wale, Robben und Seeotter) wurde verstärkt, und man gründete Syndikate zur Finanzierung von Booten, Ausrüstung und Arbeitskräften. Der stark ausgeweitete Handel mit den Ainu auf Hokkaido brachte Räucherlachs, getrocknete Seegurken, Abalonemuscheln, Tang, Hirschfelle und Seeotterpelze nach Japan, das im Gegenzug Reis, Sake, Tabak und Baumwolle an die Ainu lieferte. Dies führte dazu, dass die Lachs- und Hirschbestände auf Hokkaido zur Neige gingen; die Ainu, die sich bisher als Jäger selbst versorgt hatten, gerieten in Abhängigkeit von japanischen Importen, und schließlich gingen sie durch wirtschaftlichen Niedergang, Krankheitsepidemien und militärische Eroberungsfeldzüge zugrunde. Die Lösung für das Problem der erschöpften Ressourcen in Japan bestand also zur Tokugawazeit teilweise darin, dass japanische Ressourcen auf Kosten der Ressourcen in anderen Gebieten geschont wurden. Ganz ähnlich lösen Japan und andere Industrieländer auch heute das Problem ihrer erschöpften Rohstoffe und Vorräte, in dem sie diese anderswo ausbeuten. (Wie gesagt: Hokkaido wurde politisch erst im 19. Jahrhundert an Japan angegliedert.)
    Zu der Veränderung gehörte auch, dass das Bevölkerungswachstum fast auf null zurückging. Von 1721 bis 1828 wurde die japanische Bevölkerung kaum größer: Sie wuchs nur von 26 100 000 auf 27 200 000. Im Vergleich zu früheren Jahrhunderten heirateten die Japaner im 18. und 19. Jahrhundert später, Babys wurden länger gestillt, die dadurch entstehende Laktationsamenorrhöe sowie Empfängnisverhütung, Abtreibungen und Kindesmord führten zu größeren Abständen zwischen den Kindern. In der niedrigen Geburtenrate spiegelte sich die Reaktion einzelner Paare auf die merkliche Knappheit an Nahrung und anderer Vorräte; dies zeigt sich daran, dass die Geburtenrate im Japan der Tokugawazeit im Einklang mit den Preisen für Reis stieg und fiel.
    Ein anderer Aspekt der Veränderung war die Verminderung des Holzverbrauchs. Seit dem späten 17. Jahrhundert wurde in Japan in immer größerem Umfang Kohle anstelle von Holz als Brennstoff benutzt. Die Häuser mit ihren schweren Holzbalken wurden von leichteren Konstruktionen verdrängt, effizientere Herde lösten die offenen Feuerstellen ab, statt das ganze Haus zu heizen, bediente man sich kleiner, tragbarer Kohleöfen, und im Winter nutzte man zunehmend die Sonne zum Beheizen der Häuser.
    Viele von oben nach unten verordnete Maßnahmen zielten darauf ab, das Ungleichgewicht zwischen der Abholzung und der Regeneration der Bäume zu beseitigen. Anfangs bediente man sich dazu vorwiegend negativer Mittel (Verminderung der Abholzung), später kamen positive Maßnahmen (Produktion von mehr Bäumen) hinzu. Eines der ersten Anzeichen, dass das Problembewusstsein bei den Herrschern wuchs, war 1666, nur neun Jahre nach dem Meireki-Band, eine Anordnung des shogun: Darin warnte er vor den Gefahren der Erosion, der Versandung von Flüssen und der Überschwemmungen, die durch den Waldverlust verursacht wurden, und er drängte die Menschen, junge Bäume zu pflanzen. Im gleichen Jahrzehnt begannen in allen gesellschaftlichen Schichten landesweite Anstrengungen, die Nutzung der Wälder zu regeln, und bis 1700 hatte man ein ausgeklügeltes Forstverwaltungssystem eingeführt. Dieses System »legte fest, wer etwas tun durfte, wo, wann, wie, wie viel und zu welchem Preis«, wie der Historiker Conrad Totman es formulierte. Deshalb

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