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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Kilometer entfernten Vereinigten Staaten, wo schon heute eine Million Menschen aus der Dominikanischen Republik zu Hause sind. In New York lebt heute die zweitgrößte dominikanische Bevölkerungsgruppe der Welt, die nur noch von Santo Domingo, der Hauptstadt ihres eigenen Landes übertroffen wird. Ähnlich große Gruppen gibt es in Kanada, in den Niederlanden, in Spanien und Venezuela. In den USA hat man bereits 1962 erlebt, wie die Ereignisse in Kuba, der Karibikinsel unmittelbar westlich von Hispaniola, das eigene Überleben gefährden können. Deshalb steht in der Frage, ob die Dominikanische Republik ihre eigenen Probleme lösen kann, auch für die Vereinigten Staaten viel auf dem Spiel.
    Welche Zukunft hat Haiti? Es ist heute bereits eines der ärmsten und am stärksten überbevölkerten Länder der Neuen Welt, aber es wird immer noch ärmer, und die Überbevölkerung nimmt bei einem Bevölkerungswachstum von nahezu drei Prozent im Jahr weiter zu. Haiti ist so arm, und es mangelt ihm derart an natürlichen Ressourcen und an gut ausgebildeten Menschen, dass schwer zu erkennen ist, wie eine Besserung eintreten soll. Und selbst wenn die übrige Welt durch staatliche Entwicklungshilfe, Initiativen nichtstaatlicher Organisationen oder private Anstrengungen helfen will, besitzt Haiti nicht einmal die Fähigkeit, solche äußere Unterstützung wirksam zu nutzen. Im Rahmen des USAID-Programms beispielsweise floss nach Haiti ein siebenmal größerer Geldbetrag als in die Dominikanische Republik, aber die Erfolge waren in Haiti dennoch viel geringer, weil es im Land selbst weder Menschen noch Organisationen gibt, die mit der Hilfe etwas anfangen könnten.
    Alle, die sich mit Haiti auskannten und von mir nach den Zukunftsaussichten befragt wurden, benutzten in ihrer Antwort das Wort »hoffnungslos«. Die meisten erwiderten einfach, es gebe keine Hoffnung. Und jene, die noch Hoffnung hatten, erklärten als Erstes, sie seien in der Minderheit und die meisten anderen hätten keine Hoffnung. Erst dann erklärten sie, warum sie noch einen gewissen Optimismus hätten: Von den vorhandenen kleinen Waldgebieten des Landes könne eine Wiederaufforstung ausgehen, zwei landwirtschaftliche Regionen produzierten Nahrungsmittelüberschüsse, die man in die Hauptstadt Port-au-Prince exportieren könne, an der Nordküste gebe es die Touristenenklaven, und es sei eine bemerkenswerte Leistung gewesen, dass Haiti seine Armee auflösen konnte, ohne in einen dauerhaften Sumpf mit Nachfolgegruppen und lokalen Milizen abzugleiten.
    Nicht nur die Zukunft der Dominikanischen Republik wirkt sich wegen der Globalisierung auf andere aus, sondern das Gleiche gilt auch für Haiti. Auch hier spielen die im Ausland lebenden Haitianer eine Rolle - Menschen in den Vereinigten Staaten, Kuba, Mexiko, Südamerika, Kanada, auf den Bahamas, den Kleinen Antillen und in Frankreich. Noch wichtiger aber ist die »Globalisierung« der Probleme Haitis innerhalb der Insel Hispaniola, das heißt ihre Auswirkungen auf die benachbarte Dominikanische Republik. Haitianer pendeln über die Grenze und verrichten Arbeiten, die ihnen wenigstens eine tägliche Mahlzeit sichern, und sie holen Holz, das sie als Brennstoff in ihre Heimat mit den zerstörten Wäldern zurückbringen. Haitianische Landbesetzer bemühen sich, auf der dominikanischen Seite der Grenze als Bauern ihr Leben zu fristen, und geben sich dafür auch mit schlechtem Land zufrieden, das die Bauern aus dem eigenen Land verschmähen. In der Dominikanischen Republik leben und arbeiten mehr als eine Million Menschen haitianischer Herkunft, die meisten von ihnen illegal, aber angelockt durch die besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten und die Tatsache, dass Grundbesitz in der Dominikanischen Republik, auch sie ein armes Land, leichter zu erlangen ist. Die Auswanderung von mehr als einer Million Bürger der Dominikanischen Republik wurde also durch die Einwanderung ebenso vieler Haitianer wettgemacht, die heute etwa 12 Prozent der Bevölkerung stellen. Haitianer nehmen schlecht bezahlte, harte Arbeiten an, die von den eigenen Bürgern des Landes meist abgelehnt werden; insbesondere in der Bauindustrie und in der Landwirtschaft übernehmen sie die anstrengende, schmerzhafte Tätigkeit, Zuckerrohr zu schneiden, sie arbeiten aber auch in der Tourismusbranche, als Wachleute, als Hausangestellte und als Fahrrad-Transportunternehmer, die mit dem Fahrrad riesige Lasten transportieren und balancieren, um sie zu verkaufen

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