Kollaps
Bergleute konnten sich benehmen, wie sie wollten: Es gab so gut wie keine behördlichen Auflagen, und da sie Geschäftsleute waren, arbeiteten sie nach den von Stiller beschriebenen Prinzipien. Erst 1971 verabschiedete der Bundesstaat Montana ein Gesetz, das die Bergbauunternehmen verpflichtete, das Gelände aufgegebener Minen zu reinigen. Selbst finanzkräftige Firmen wie ARCO und ASARCO, die vielleicht zu Aufräumarbeiten bereit wären, haben einen ausgesprochenen Widerwillen dagegen, wenn sie merken, dass von ihnen das Unmögliche verlangt wird, dass die Kosten explodieren können und dass die Ergebnisse nicht den Erwartungen der Öffentlichkeit entsprechen. Wenn der Minenbesitzer nicht zahlen kann oder will, werden auch die Steuerzahler sehr unwillig, wenn sie mit Milliardenbeträgen in die Bresche springen sollen. Bei den Steuerzahlern entsteht der Eindruck, dass das Problem schließlich schon lange vor ihrer Haustür besteht, ohne dass darüber gesprochen wurde, und dass es demnach so schlimm nicht sein kann; die meisten wehren sich gegen finanzielle Aufwendungen, solange keine akute Krise besteht; und die Zahl der Steuerzahler, die gegen Giftmüll protestieren oder hohe Steuern gutheißen, ist einfach zu gering. So betrachtet, ist die amerikanische Öffentlichkeit an der Untätigkeit ebenso schuld wie Bergbauunternehmen und Behörden; letztlich liegt die Verantwortung bei allen Bürgern. Nur wenn öffentlicher Druck die Politiker zur Verabschiedung von Gesetzen zwingt, die den Unternehmen ein anderes Verhalten vorschreiben, werden diese ihre Vorgehensweise ändern; ansonsten würden die Unternehmen sich wie gemeinnützige Institutionen verhalten und die Verantwortung gegenüber ihren Aktionären vernachlässigen. Zu welch unterschiedlichen Folgen dieses Dilemma führen kann, möchte ich an drei Beispielen deutlich machen: an den Fällen Clark Fork, Milltown Dam und Pegasus Zortman-Landusky Mine.
Die Bergbauunternehmen, aus denen später die Anaconda Copper Company hervorgehen sollte, nahmen 1882 bei Butte am Clark Fork, einem Zufluss des Columbia River, ihre Tätigkeit auf. Schon 1900 lieferte Butte die Hälfte der gesamten US-Kupferproduktion. Bis 1955 wurde das Erz vorwiegend in unterirdischen Stollen abgebaut, aber in diesem Jahr begann Anaconda mit dem Tagebau und grub den Berkeley Pit, heute ein riesiges, fast 600 Meter tiefes Loch mit über eineinhalb Kilometern Durchmesser.
Säure- und schwermetallhaltige Minenabwässer wurden in Riesenmengen in den Clark Fork River geleitet. Aber dann führten ausländische Billigkonkurrenz, Enteignung der firmeneigenen Minen in China und wachsendes Umweltbewusstsein in den USA zum Niedergang von Anaconda. Das Unternehmen wurde 1976 von dem Ölkonzern ARCO aufgekauft (der sich kürzlich auch den noch größeren Ölkonzern BP einverleibte): dieser schloss 1980 das Schmelzwerk und 1983 auch die eigentliche Mine, sodass im Gebiet von Butte mehrere tausend Arbeitsplätze und drei Viertel der wirtschaftlichen Grundlage verloren gingen.
Heute ist der Clark Fork River mit dem Berkeley Pit das größte staatlich finanzierte Sanierungsgebiet der USA. Nach Ansicht von ARCO ist es unfair, den Konzern für die Schäden verantwortlich zu machen, die von den früheren Eigentümern der Mine angerichtet wurden, bevor es das Gesetz über die staatliche Sanierung überhaupt gab. Bundes- und Staatsregierung dagegen vertreten die Auffassung, dass ARCO mir den Vermögenswerten von Anaconda auch deren Verbindlichkeiten übernommen hat. Wenigstens werden ARCO und BP in nächster Zeit keine Insolvenz anmelden. Einer meiner Freunde, ein Umweltschützer, sagte einmal zu mir: »Die versuchen, mit möglichst geringen Zahlungen davonzukommen, es gibt schlimmere Firmen als ARCO.« Das säurehaltige Wasser, das aus dem Berkeley Pit austritt, soll abgepumpt und dauerhaft unschädlich gemacht werden. ARCO hat an den Staat Montana bereits mehrere hundert Millionen Dollar für die Rekultivierung des Clark Fork bezahlt; insgesamt werden die Verbindlichkeiten auf rund eine Milliarde geschätzt, aber das sind unsichere Angaben, denn die Giftentsorgung erfordert viel Energie, und wie viel die in vierzig Jahren kosten wird, weiß niemand.
Der zweite Fall ist der Milltown Dam, ein Staudamm, der 1907 unterhalb von Butte am Clark Fork River erbaut wurde und Strom für ein nahe gelegenes Sägewerk erzeugen sollte. Seit jener Zeit wurden mehr als fünf Millionen Kubikmeter arsen-, cadmium-, kupfer-, blei- und
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