Kollaps
ins Auge fasst, sind die Umweltschutzorganisationen sofort mit Einspruchsverfahren und Appellen zur Stelle, bis zu deren Beilegung unter Umständen zehn Jahre vergehen; dies macht die Holzgewinnung selbst dann weniger wirtschaftlich, wenn die Einsprüche am Ende zurückgewiesen werden. Nach Ansicht praktisch aller meiner Bekannten in Montana - selbst derer, die sich als engagierte Umweltschützer bezeichnen - herrscht nun das andere Extrem. Sie sind frustriert, weil selbst Abholzungspläne, die ihnen gerechtfertigt erscheinen (zum Beispiel weil man damit die im Folgenden genauer erörterte Brandlast vermindern will) sich durch Gerichtsverfahren stark verzögern. Aber nach Ansicht der Umweltschutzorganisationen, die den Protest organisieren, muss man hinter allen scheinbar vernünftigen Plänen der Behörden versteckte Bestrebungen zugunsten des Abholzens vermuten. Die früheren Sägewerke im Bitterroot Valley sind heute ausnahmslos geschlossen, weil nur wenig Holz aus staatlichen Waldgebieten zur Verfügung steht und weil die Flächen, die sich in Privatbesitz befinden, bereits zwei Mal abgeholzt wurden. Mit der Schließung der Sägewerke sind nicht nur viele gut bezahlte, gewerkschaftlich organisierte Arbeitsplätze verloren gegangen, sondern auch ein großer Teil des traditionellen Selbstverständnisses der Bürger von Montana.
In anderen Teilen des Bundesstaates außerhalb des Bitterroot Valley gibt es noch viele Waldgebiete in Privatbesitz; zum größten Teil handelt es sich dabei um staatliche Schenkungen aus den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, als man die Firma Great Northern Railroad zum Bau einer Eisenbahnlinie quer durch den Kontinent bewegen wollte. Diese Flächen wurden 1989 von den Eisenbahngesellschaften an eine gewisse Plum Creek Timber Company mit Sitz in Seattle verkauft, die aus steuerlichen Gründen als Immobilienfonds organisiert ist (sodass Gewinne als Einkünfte aus Kapitalvermögen niedriger besteuert werden): dieses Unternehmen ist heute der größte private Waldbesitzer in Montana und der zweitgrößte der gesamten Vereinigten Staaten. Ich habe das Werbematerial von Plum Creek gelesen und mich mit Bob Jirsa unterhalten, ihrem Director of Corporate Affairs. Er verteidigt die Umweltpolitik seines Unternehmens und dessen nachhaltige Waldbewirtschaftung. Von vielen Bekannten in Montana habe ich aber auch sehr negative Meinungen über Plum Creek gehört. Typisch sind dabei folgende Klagen: »Plum Creek kümmert sich nur um seine Bilanzen«; »für nachhaltige Forstwirtschaft interessieren die sich nicht«; »die haben ein Unternehmensziel, und das heißt ›holt mehr Bäume raus‹«; »Plum Creek will mit dem Land so viel Geld wie irgend möglich verdienen, egal wie«.
Wer sich bei diesen polarisierten Meinungen an das erinnert fühlt, was ich bereits im Zusammenhang mit den Bergbauunternehmen berichtet habe, hat Recht. Plum Creek ist keine gemeinnützige Einrichtung, sondern ein gewinnorientiertes Unternehmen. Wenn die Bürger Montanas von Plum Creek etwas verlangen, was den Gewinn des Unternehmens schmälert, ist es ihre Aufgabe, die Politiker zur Verabschiedung und Durchsetzung von Gesetzen zu veranlassen oder das Land aufzukaufen und anders zu bewirtschaften. Hinter den Meinungsverschiedenheiten lauert eine unangenehme Grundtatsache: Wegen des kalten, trockenen Klimas und der Höhenlage sind große Teile Montanas, was die Forstwirtschaft angeht, benachteiligt. Im Südosten und Nordosten der USA wachsen Bäume um ein Mehrfaches schneller heran als hier. Plum Creek besitzt zwar in Montana die größten Landflächen, aber in vier anderen Staaten (Arkansas, Georgia, Maine und Mississippi) produziert das Unternehmen auf kleineren Flächen (60 bis 64 Prozent der Fläche in Montana) jeweils mehr Holz. In Montana kann die Holzwirtschaft für Plum Creek keine hohen Renditen abwerfen: Das Unternehmen muss für das Gelände Steuern und Brandschutzabgaben entrichten, gleichzeitig aber sechzig bis achtzig Jahre warten, bevor es einen frisch gepflanzten Baum abholzen kann; im Südosten der USA dagegen hat ein Baum schon nach 30 Jahren die nutzbare Größe erreicht. Wenn Plum Creek der wirtschaftlichen Realität ins Auge sieht und es für profitabler hält, die firmeneigenen Flächen insbesondere an Flüssen und Bächen nicht mehr zur Holzgewinnung, sondern als Bauland zu nutzen, dann liegt das daran, dass potenzielle Käufer, die nach schönen Ufergrundstücken suchen, der gleichen Ansicht sind.
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