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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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wertvollen, feuerresistenten Gelbkiefern, und gleichzeitig konnten im Unterholz durch jahrzehntelange Feuerunterdrückung unzählige Douglasfichten heranwachsen, die im ausgewachsenen Zustand ihrerseits wieder wertvoll wurden. Die Baumdichte stieg von 74 auf 495 Bäume je Hektar, die Brandlast des Waldes versechsfachte sich, und der Kongress verweigerte mehrmals die Bewilligung neuer Mittel zum Ausdünnen der Jungbäume. Auch ein anderer von Menschen ausgehender Effekt, die in den nationalen Wäldern weidenden Schafe, dürfte eine wichtige Rolle gespielt haben: Das Gras am Boden, das ansonsten Bränden geringer Intensität als Nahrung gedient hätte, gab es kaum noch. Wenn in einem Wald, in dem die Jungbäume dicht bei dicht stehen, schließlich ein Brand ausbricht - ob durch Blitzschlag, menschliche Unachtsamkeit oder (leider nur allzu oft) durch absichtliche Brandstiftung -, kann das Feuer über die hohen Jungbäume wie auf einer Leiter zu den Baumkronen aufsteigen. Die Folge ist manchmal ein Inferno, dem niemand mehr Einhalt gebieten kann: Die Flammen schießen bis zu 120 Meter hoch in die Luft, springen auch über breite Schneisen von einer Baumkrone zur anderen, erreichen Temperaturen von über 1100 Grad, vernichten die im Boden versteckten Baumsamen und ziehen in der Folgezeit Erdrutsche und umfangreiche Erosion nach sich.
    Das größte Problem bei der Bewirtschaftung der Wälder des amerikanischen Westens sieht die Forstverwaltung heute in der Frage, wie man mit der vermehrten Brandlast umgehen soll, die sich in dem vorangegangenen halben Jahrhundert durch die Brandunterdrückung angesammelt hat. Im feuchteren Osten der USA verrotten abgestorbene Bäume schneller als im trockenen Westen, wo tote Bäume häufig wie riesige Streichhölzer stehen bleiben. Im Idealfall würde die Forstverwaltung die Wälder bewirtschaften, aufforsten, ausdünnen und das dichte Unterholz durch Schneiden oder kontrollierte kleine Brände beseitigen. Aber das würde über 2500 Dollar je Hektar kosten, und da die Wälder im Westen der USA insgesamt eine Fläche von rund 40 Millionen Hektar haben, würden sich die Gesamtkosten auf 100 Milliarden belaufen. So viel Geld will kein Politiker und kein Wähler ausgeben. Selbst bei geringeren Kosten hätten sicher große Teile der Öffentlichkeit den Verdacht, ein solches Vorhaben könne nur ein Vorwand sein, um die Abholzung der schönen Wälder wieder aufzunehmen. Statt regelmäßig Ausgaben für die Aufrechterhaltung eines weniger feuergefährlichen Zustandes unserer Wälder vorzusehen, nimmt die Bundesregierung die Brandgefahr in Kauf, und dann werden unvorhergesehene Aufwendungen nötig, wenn irgendwo eine Brandkatastrophe eintritt: Die Brände, denen im Sommer 2000 insgesamt fast 26 000 Quadratkilometer Wald zum Opfer fielen, verursachten Kosten von rund 1,6 Milliarden Dollar.
    Die Bewohner von Montana selbst vertreten, was Waldbewirtschaftung und Waldbrände angeht, sehr unterschiedliche Meinungen und widersprechen sich dabei häufig selbst. Einerseits herrscht Angst und instinktiver Widerwille gegen das Prinzip »brennen lassen«, das die Forstverwaltung sich bei großen Bränden zu Eigen machen muss, wenn das Löschen zu gefährlich oder völlig unmöglich ist. Besonders laut protestierte die Öffentlichkeit 1988, als man die Brände in großen Teilen des Yellowstone-Nationalparks sich selbst überließ; die Menschen begriffen nicht, dass man tatsächlich nichts tun konnte, außer um Regen oder Schnee zu beten. Andererseits besteht aber auch eine Abneigung gegen Programme zur Ausdünnung der Wälder, durch die sich die Brandgefahr vermindern würde: Die Menschen fürchten um den schönen Anblick der dichten Wälder, beklagen sich über »unnatürliche« Eingriffe in die Natur. Wie bis vor kurzem auch die meisten Forstexperten, so verstehen sie nicht, dass die Wälder des Westens sich nach hundert Jahren mit Brandbekämpfung, Holzgewinnung und Schafzucht ohnehin bereits in einem sehr unnatürlichen Zustand befinden.
    Im Bitterroot Valley bauen die Bewohner protzige Häuser ganz in der Nähe brandgefährdeter Wälder oder in deren Mitte, und dann erwarten sie von den Behörden, dass diese sie vor dem Feuer schützen. Als meine Frau und ich im Juli 2001 westlich der Ortschaft Hamilton durch den früheren Blodgett Forest wanderten, standen wir in einer Landschaft voller verkohlter Baumstämme. Die Bewohner der Region Blodgett hatten sich zuvor den Plänen der Forstverwaltung zum

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