Kollaps
besser bewirtschaften, aber wenig später verschwendeten sie es wie eh und je mit dem Bau von Golfplätzen und der Bewässerung ihrer Gärten.
Ein anderer Grund, warum eine Gesellschaft ein Problem unter Umständen nicht voraussieht, liegt in falschen Analogieschlüssen. Wenn wir uns in einer unbekannten Situation befinden, ziehen wir gern Parallelen zu früheren, bekannten Situationen. Das ist eine gute Methode, wenn zwischen der alten und neuen Situation tatsächlich Analogien bestehen, aber es kann auch gefährlich sein, wenn beide sich nur oberflächlich ähneln. Die Wikinger beispielsweise, die seit dem Jahr 870 nach Island einwanderten, kamen aus Norwegen und Großbritannien, wo es schwere, von Gletschern aufgewühlte Lehmböden gibt. Solche Böden werden aufgrund ihres Gewichtes selbst dann nicht vom Wind wegtransportiert, wenn man ihre Pflanzendecke beseitigt. Als die Siedler in Island auf zahlreiche Baumarten trafen, die ihnen bereits aus Norwegen und Großbritannien vertraut waren, ließen sie sich von der scheinbar ähnlichen Landschaft täuschen (Kapitel 6). Aber der isländische Boden war nicht durch wandernde Gletscher entstanden, sondern durch den Wind, der die leichte, bei Vulkanausbrüchen ausgestoßene Asche transportiert hatte. Als die Wikinger nun die Wälder gerodet hatten, um Weiden für ihr Vieh zu schaffen, war der leichte Boden erneut dem Wind ausgesetzt: Er wurde weggeweht, und ein großer Teil des isländischen Oberbodens verschwand durch Erosion.
Ein tragisches, berühmtes Beispiel aus unserer Zeit für einen falschen Analogieschluss ist die Art, wie Frankreich sich militärisch auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitete. Nach dem entsetzlichen Blutbad des Ersten Weltkrieges erkannten die Franzosen, dass sie sich unbedingt gegen eine möglicherweise bevorstehende neuerliche deutsche Invasion schützen mussten. Aber leider ging die Führung der französischen Streitkräfte davon aus, der nächste Krieg werde auf ganz ähnliche Weise ablaufen wie der Erste Weltkrieg, als die Westfront zwischen Frankreich und Deutschland in einem vierjährigen Schützengrabenkrieg praktisch unbeweglich geblieben war. Mit Infanteriekräften, die raffiniert befestigte Schützengräben besetzten, hatte man Infanterieangriffe in der Regel zurückschlagen können, und Offensivkräfte hatten die neu erfundenen Panzer nur einzeln eingesetzt, um die angreifende Infanterie zu unterstützen. Also baute Frankreich an seiner Ostgrenze die Maginotlinie, ein noch höher entwickeltes, aufwendiges System von Befestigungen. In der deutschen Wehrmacht jedoch hatte man nach der Niederlage des Ersten Weltkrieges erkannt, dass man nach einer anderen Strategie vorgehen musste. Jetzt bildeten nicht mehr Infanteristen, sondern Panzer die Speerspitze der Angriffe. Die Fahrzeuge wurden in eigenen Panzerdivisionen zusammengefasst, überquerten die Maginotlinie in überweidetem Gelände, das bisher als ungeeignet für Panzer gegolten hatte, und nach nur sechs Wochen war Frankreich besiegt. Indem die französischen Generäle eine falsche Analogie zum Ersten Weltkrieg herstellten, begingen sie einen verbreiteten Fehler: Militärs planen einen zukünftigen Krieg häufig so, als werde er wie der vorige ablaufen, insbesondere wenn ihre Seite in dem vorherigen Krieg den Sieg davongetragen hat.
Kommen wir nun zur zweiten Station: Nachdem eine Gesellschaft ein Problem nicht vorausgesehen hat, bevor es eingetreten ist, nimmt sie es unter Umständen auch danach nicht wahr. Dieser Fehler kann mindestens drei Gründe haben, die alle sowohl in der Wirtschaft als auch in der Wissenschaft weit verbreitet sind.
Erstens sind die Ursachen mancher Probleme buchstäblich nicht wahrnehmbar. Die Nährstoffe beispielsweise, die einem Boden seine Fruchtbarkeit verleihen, sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen, und erst in moderner Zeit wurden sie durch chemische Analysen messbar. In Australien, auf Mangareva, in manchen Regionen im Südwesten der Vereinigten Staaten und an vielen anderen Orten hatte der Regen einen großen Teil der Nährstoffe bereits aus dem Boden ausgewaschen, bevor die ersten Menschen sich ansiedelten. Als sie dann kamen und Pflanzen anbauten, verbrauchten diese schnell die verbliebenen Nährstoffe, sodass weitere Landwirtschaft nicht mehr möglich war. Häufig tragen solche nährstoffarmen Böden einen üppig aussehenden Pflanzenbewuchs; die Nährstoffe befinden sich dabei zum größten Teil nicht im Boden, sondern in den Pflanzen, und
Weitere Kostenlose Bücher