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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Geschwindigkeit wie in einer nuklearen Kettenreaktion zunimmt: Sie verdoppelt sich, dann steigt sie jeweils im gleichen Zeitraum um den Faktor 4, 8, 16, 32 und so weiter.) Einerseits entwickeln sich die Umweltprobleme in Australien wie auf der ganzen Welt mit exponentieller Geschwindigkeit. Andererseits verläuft auch die Entwicklung des Umweltbewusstseins in der Öffentlichkeit sowie der privaten und staatlichen Gegenmaßnahmen ebenfalls exponentiell. Welches Pferd wird das Rennen gewinnen? Viele Leser dieses Buches sind jung genug und werden noch erleben, wie es ausgeht.

 
     
     
     TEIL VIER     
     
     
     
PRAKTISCHE LEHREN
     

KAPITEL 14
Warum treffen manche Gesellschaften katastrophale Entscheidungen ?
    Wegweiser zum Erfolg ■ Mangelnde Voraussicht ■ Mangelnde Wahrnehmung ■ Rationales negatives Handeln ■ Katastrophale Wertvorstellungen ■ Andere irrationale Fehlentscheidungen ■ Gescheiterte Lösungsansätze ■ Zeichen der Hoffnung
    Jeder Unterrichtprozess hat zwei Beteiligte, die angeblich unterschiedliche Rollen spielen: Der Lehrer vermittelt sein Wissen an die Schüler, und die Schüler nehmen das Wissen vom Lehrer auf. In Wirklichkeit wird jeder aufgeschlossene Lehrer bemerken, dass die Schüler im Lauf des Unterrichts auch Wissen an den Lehrer vermitteln, indem sie die Annahmen des Lehrers anzweifeln und Fragen stellen, an die der Lehrer zuvor nicht gedacht hatte. Diese Entdeckung machte ich vor einiger Zeit wieder einmal, als ich vor hoch motivierten Studienanfängern an meiner Universität, der University of California in Los Angeles (UCLA), ein Seminar hielt. Wir sprachen darüber, wie Gesellschaften mit Umweltproblemen umgehen. Das Seminar war eigentlich ein Probelauf für den Stoff dieses Buches: Ich hatte damals gerade einige Kapitel entworfen, andere befanden sich in der Planung, und ich konnte sie noch in großem Umfang abändern.
    Nach der Einführungsstunde hielt ich meinen ersten Vortrag über den Zusammenbruch der Gesellschaft auf der Osterinsel, der in diesem Buch das Thema des zweiten Kapitels bildet. Nachdem ich mit meiner Darstellung fertig war, kam in der Diskussion eine scheinbar einfache Frage auf, die meine Studenten vor ein Rätsel stellte und in Wirklichkeit viel schwieriger war, als ich es mir bis dahin klargemacht hatte: Wie um alles in der Welt konnte eine Gesellschaft die so offenkundig katastrophale Entscheidung treffen, alle Bäume zu fällen, auf die sie angewiesen war?
    Ein Student fragte, was der Inselbewohner, der die letzte Palme fällte, dabei nach meiner Einschätzung wohl gedacht habe. Auch im Zusammenhang mit allen anderen Gesellschaften, auf die ich in späteren Vorträgen zu sprechen kam, stellten meine Studenten im Wesentlichen die gleiche Frage. Und auch zu einem anderen, ähnlichen Thema verlangten sie Auskunft: Wie oft richten Menschen absichtlich oder zumindest im Bewusstsein der voraussichtlichen Folgen ökologische Schäden an? Meine Studenten fragten sich, ob die Menschen in 100 Jahren - falls es bis dahin noch Menschen gibt - sich über unsere Blindheit heute ebenso wundern würden, wie wir uns über die Blindheit der Bewohner auf der Osterinsel wundern.
    Diese Frage, warum Gesellschaften sich am Ende durch katastrophale Entscheidungen selbst zerstören, stellt nicht nur meine Studienanfänger an der UCLA vor ein Rätsel, sondern auch professionelle Historiker und Archäologen. Der Archäologe Joseph Tainter zum Beispiel bewertet in seinem Werk The Collapse of Complex Societies, dem vielleicht am häufigsten zitierten Buch über Gesellschaftszusammenbrüche, verschiedene Erklärungen für solche Ereignisse in der Geschichte. Dabei äußert er sich skeptisch gegenüber dem Gedanken, sie könnten auf die Erschöpfung ökologischer Ressourcen zurückzuführen sein, weil ihm ein solches Ergebnis von vornherein sehr unwahrscheinlich erscheint. Er stellt folgende Überlegung an: »Diese Ansicht setzt zwangsläufig voraus, dass eine Gesellschaft ihrer eigenen Schwächung untätig zusieht, ohne korrigierend einzugreifen. Hier liegt eine wichtige Schwierigkeit. Charakteristische Merkmale komplexer Gesellschaften sind zentralisierte Entscheidungsprozesse, umfangreicher Informationsaustausch, starke Koordination der Einzelteile, formalisierte Befehlskanäle und die Bündelung von Kräften. Viele dieser Strukturen haben die Fähigkeit oder wurden sogar zu dem Zweck geschaffen, Schwankungen und Mängeln der Produktivität entgegenzuwirken. Mit ihren

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