Kollaps
ich zahle ein paar Euro pro Kilo Kupfer und Palladium mehr, solange ich mir dieses Jahr noch ein neues Auto leisten kann.« Stattdessen sehen wir uns nach einem günstigeren Autoangebot um. Das wissen die Kupfer- und Palladiumgroßhändler sowie die Autohersteller ganz genau, und so üben sie Druck auf die Bergbauunternehmen aus, damit die Preise niedrig bleiben. Deshalb fällt es jedem Bergbauunternehmen schwer, seine umweltbedingten Kosten weiterzugeben.
Die Bergbauunternehmen besitzen im Vergleich zu den Ölkonzernen sehr viel weniger Kapital, mit dem sie die Kosten für Aufräumarbeiten auffangen könnten. Beide Branchen haben mit Altlasten zu kämpfen: Sie müssen Kosten tragen, die in mehr als einem Jahrhundert durch ökologisch schädliche Verfahren entstanden sind, bevor in jüngerer Zeit das Umweltbewusstsein gewachsen ist. Andererseits lag aber die gesamte Kapitalisierung der Bergbauindustrie im Jahr 2001 nur bei rund 200 Milliarden Euro, und die drei größten Unternehmen (Alcoa, BHP und Rio Tinto) hatten jeweils ein Kapital von nur etwa 20 Milliarden. Dagegen betrug die Kapitalisierung in anderen Branchen - Wal-Mart Store, Microsoft, Cisco, Pfizer, Citigroup, Exxon, Mobil und andere - für jedes einzelne Unternehmen etwa 200 Milliarden Euro, und General Electric allein hat eine Kapitalisierung von 380 Milliarden, fast das Doppelte der gesamten Bergbaubranche. Deshalb sind Altlasten für den Erzbergbau im Verhältnis eine wesentlich größere Belastung als für die Ölindustrie. Phelbs-Dodge beispielsweise, das größte heute noch existierenden US-Erzbergbauunternehmen, ist im Zusammenhang mit der Schließung und Rekultivierung von Minen mit Kosten von zwei Milliarden Dollar konfrontiert, was seiner gesamten Marktkapitalisierung entspricht. Alle Vermögenswerte des Unternehmens zusammen summieren sich nur auf rund acht Milliarden Dollar, und die meisten dieser Vermögenswerte befinden sich in Chile, sodass sie zur Begleichung von Kosten in Nordamerika nicht verwendet werden können. Der Ölkonzern ARCO dagegen, der mit dem Kauf der Anaconda Mining Company auch Verbindlichkeiten von mindestens einer Milliarde Dollar für die Kupferminen von Butte übernahm, verfügt allein in Nordamerika über Vermögenswerte von mehr als 20 Milliarden Dollar. Allein diese grausame ökonomische Wirklichkeit erklärt bereits zu einem großen Teil, warum Phelbs-Dodge sich mit der Rekultivierung von Minen viel schwerer tut als ARCO.
Dass es für Bergbauunternehmen viel schwieriger ist als für Ölkonzerne, die Kosten für Aufräumarbeiten zu schultern, hat also zahlreiche wirtschaftliche Gründe. Auf kurze Sicht ist es für ein Bergbauunternehmen viel billiger, wenn es Lobbyisten dafür bezahlt, dass diese auf lockere gesetzliche Vorschriften drängen. Betrachtet man die Einstellungen der Gesellschaft sowie die bisher vorhandenen Gesetze und Vorschriften, hat sich diese Strategie ausgezahlt - jedenfalls bis vor kurzer Zeit.
Verstärkt wurden die wirtschaftlichen Widerstände durch Einstellungen und eine Unternehmenskultur, die sich traditionell mit dem Erzbergbau verbinden. In der Geschichte der Vereinigten Staaten - und ganz ähnlich auch in Südafrika und Australien - förderte die Regierung den Bergbau, weil sie damit die Besiedlung des Westens voranbringen wollte. Deshalb entwickelte sich der Bergbau in den Vereinigten Staaten vor dem Hintergrund einer überzogenen Selbstgerechtigkeit: Man sah sich als Retter des Westens und glaubte sich über Vorschriften hinwegsetzen zu können - ein typisches Beispiel für das im vorangegangenen Kapitel erörterte Problem der Wertvorstellungen, die ihre Nützlichkeit verloren haben. Wenn Bergbaumanager von Umweltschützern kritisiert werden, halten sie lange Predigten darüber, dass die Zivilisation ohne Bergbau unmöglich wäre und dass strengere Vorschriften weniger Bergbau und weniger Zivilisation nach sich ziehen würden. Aber Zivilisation, wie wir sie kennen, wäre auch ohne Öl, landwirtschaftlich produzierte Lebensmittel, Holz oder Bücher unmöglich, und doch hängen Ölmanager, Bauern, Holzunternehmen und Buchverlage nicht dem geradezu religiösen Fundamentalismus der Bergbaumanager an: »Gott hatte diese Metalle hierher gelegt, damit sie abgebaut werden und der Menschheit nützen.« Der CEO und die meisten Spitzenmanager eines großen amerikanischen Bergbauunternehmens gehören einer Kirche an, nach deren Lehre Gott bald wieder auf Erden erscheinen wird. Demnach, so glauben
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