Kollaps
Jahr gewaltige Kohlemengen abgebaut: Sie sind mehr als dreimal so groß wie alle in Erzminen gewonnenen Metalle zusammen. Deshalb beeinträchtigen Kohlegruben in der Regel größere Flächen, und in manchen Fällen wird der Boden bis auf das Muttergestein abgetragen, oder ganze Berge werden in die Flüsse gespült. Andererseits liegt die Kohle in sauberen, bis zu drei Meter dicken Flözen vor, die sich über mehrere Kilometer erstrecken, sodass das Verhältnis von Abraum zu gewonnenem Produkt in Bergwerken nur ungefähr bei 1 zu 1 liegt, ganz im Gegensatz zu den bereits erwähnten Zahlen von 400 zu 1 bei einer Kupfermine und 5 Millionen zu 1 bei Goldbergwerken.
In den Vereinigten Staaten wirkte die Katastrophe in der Kohlegrube von Buffalo Creek 1972 auf ganz ähnliche Weise als Warnsignal wie die Unfälle mit der Exxon Valdez und der Ölplattform in der Nordsee für die Ölindustrie. Der Erzbergbau war zwar auch in der Dritten Welt für eine ganze Reihe von Umweltkatastrophen verantwortlich, aber diese ereigneten sich weit weg von der Öffentlichkeit der Industrieländer, sodass sie bei weitem nicht als so große Warnzeichen wahrgenommen wurden. Angeregt durch den Zwischenfall von Buffalo Creek, verabschiedete die US-Bundesregierung in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts für den Kohlebergbau strengere Vorschriften als für den Erzbergbau, und dies schloss auch strengere Bedingungen für Betriebspläne und finanzielle Absicherung ein.
Anfangs prophezeite die Kohleindustrie, es werde aufgrund dieser staatlichen Maßnahmen in der Branche zu einer Katastrophe kommen, aber 20 Jahre später sind solche Unkenrufe vergessen, und im Kohlebergbau hat man gelernt, mit den neuen Vorschriften zu leben. (Das bedeutet natürlich nicht, dass die Branche nun tugendhafter wäre; sie unterliegt nur strengeren Vorschriften als vor 20 Jahren.) Dies hat unter anderem damit zu tun, dass viele (aber natürlich nicht alle) Kohlegruben nicht im hübschen Gebirge von Montana liegen, sondern in flachen Regionen, die aus anderen Gründen nicht sonderlich geschätzt werden, sodass die Rekultivierung wirtschaftlich einfacher ist. Im Gegensatz zum Erzbergbau werden Kohlegruben heute häufig bereits innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre nach Einstellung des Betriebs rekultiviert. Ein anderer Grund dürfte darin liegen, dass Kohle (wie Öl, aber anders als Gold) in unserer Gesellschaft als unentbehrlich gilt. Wozu Kohle und Öl genutzt werden, weiß jeder, aber nur den wenigsten ist bekannt, wozu Kupfer eigentlich dient; deshalb konnte die Kohleindustrie ihre gestiegenen Umweltschutzkosten leichter auf die Verbraucher abwälzen.
Ein weiterer Faktor, der zu den Reaktionen der Kohleindustrie beitrug, sind die in der Regel kurzen, transparenten Lieferketten: Kohle wird meist direkt oder über einen Zwischenhändler an die Elektrizitätswerke, Stahlwerke und andere Großverbraucher geliefert. Deshalb kann die Öffentlichkeit leicht feststellen, ob ein bestimmter Verbraucher seine Kohle von einem umweltfreundlichen oder ökologisch bedenklichen Bergbauunternehmen bezieht. Beim Öl ist die Handelskette, was die Zahl der beteiligten Unternehmen angeht, sogar noch kürzer, auch wenn die geographischen Entfernungen häufig groß sind: Ölkonzerne wie Chevron-Texaco, Exxon Mobil, Shell und BP verkaufen ihr Benzin an eigenen Tankstellen, sodass die Verbraucher, die über die Exxon Valdez -Katastrophe empört waren, Exxon-Zapfsäulen boykottieren konnten. Gold dagegen gelangt aus der Mine über eine lange Kette von Zwischenstationen zum Verbraucher: Raffinerien, Lagerhäuser, Schmuckhersteller in Indien und europäische Großhändler wirken daran mit, dass es in das Juwelier-Einzelhandelsgeschäft gelangt. Man braucht sich nur den eigenen Ehering anzusehen: In der Regel haben wir nicht die leiseste Ahnung, woher das Gold stammt, ob es letztes Jahr abgebaut wurde oder schon seit 20 Jahren gelagert war, welches Unternehmen es abgebaut hat und welche Umweltbilanz dieses Unternehmen vorzuweisen hat. Noch weniger durchschaubar sind die Verhältnisse beim Kupfer: Hier kommt als zusätzliche Station die Kupferschmelze hinzu, und wenn wir ein Auto oder ein Telefon kaufen, ist uns nicht einmal klar, dass wir damit auch ein wenig Kupfer erwerben. Wegen der langen Handelskette können Unternehmen des Kupfer- und Goldbergbaus nicht darauf zählen, dass die Verbraucher bereit wären, für umweltfreundlichen Abbau höhere Preise zu bezahlen.
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