Kollaps
Hälfte aller Minen, die heute erschlossen werden, erweisen sich als Verlustbringer. Auch der Durchschnittsgewinn im gesamten Erzbergbau ist nicht vorhersehbar: Die Weltmarktpreise für Metalle sind berüchtigten Schwankungen unterworfen und verändern sich viel stärker als die Öl- und Kohlepreise. Diese Volatilität hat vielfältige Gründe: Metalle haben ein kleineres Volumen und werden in geringeren Mengen verbraucht als Öl oder Kohle (wodurch Metalle leichter zu lagern sind); allgemein herrscht die Vorstellung, dass Öl und Kohle immer gebraucht werden, während Gold und Silber ein Luxus sind, auf den man in einer Rezession verzichten kann; und die Schwankungen des Goldpreises sind auf Faktoren zurückzuführen, die nichts mit dem Angebot und der industriellen Nachfrage für Gold zu tun haben - sie werden durch Spekulanten verursacht, die Gold kaufen, wenn sie am Aktienmarkt nervös werden und durch Regierungen, die ihre Goldreserven verkaufen.
Weiterhin produzieren Erzminen wesentlich mehr Abfälle als Ölfelder und entsprechend höher sind die Aufräumkosten. Bei den Abfallstoffen, die aus einem Ölbohrloch nach oben gepumpt werden und entsorgt werden müssen, handelt es sich zum größten Teil nur um Wasser, das ungefähr zu gleichen Teilen mit Öl vermischt ist. Gäbe es nicht die Zufahrtsstraßen und gelegentlich eine Ölpest, würden Öl- und Gasgewinnung sich auf die Umwelt kaum auswirken. Dagegen enthalten Erze nur einen sehr kleinen Anteil an Metall, und das Erz stellt wiederum nur einen kleinen Anteil des Gesteins dar, das man abtragen muss, um das Metall zu gewinnen. Das Verhältnis von Abraum zu Metall beträgt deshalb bei einer Kupfermine im Durchschnitt 400 zu 1 und bei einer Goldmine 5 Millionen zu 1. Entsprechend viel Abfall müssen die Bergbauunternehmen entsorgen.
Die Umweltverschmutzung, die der Erzbergbau verursacht, ist heimtückischer und hält länger an als die von der Ölindustrie verursachten Schäden. Bei den Problemen, die vom Öl ausgehen, handelt es sich in der Regel um eine plötzliche, gut sichtbare Ölpest, und solche Zwischenfälle konnte man durch verbesserte Konstruktion (beispielsweise doppelwandige Tanker anstelle der Schiffe mit einfacher Rumpfwand), sorgfältige Instandhaltung und regelmäßige Überprüfung der entsprechenden Anlagen in vielen Fällen verhüten. Wenn es heute noch zu einer Ölpest kommt, dann meist durch menschliches Versagen (wie im Fall der Exxon Valdez-Katastrophe), und diese Gefahr wiederum lässt sich durch strenge Ausbildung vermindern. Eine Ölpest lässt sich in der Regel innerhalb weniger Jahre oder sogar noch kürzerer Zeit beseitigen, und Öl wird auf natürlichem Weg abgebaut. Auch von Erzminen gehen manchmal ganz plötzlich deutlich erkennbare Umweltprobleme aus, beispielsweise wenn auf einmal zahlreiche Fische oder Vögel ums Leben kommen (wie bei der Summitville-Mine, wo Cyanidlauge überfloss und ein Fischsterben verursachte). In den meisten Fällen werden aber ständig kleine Mengen giftiger, unsichtbarer Metalle und Säuren frei, die in der Natur nicht abgebaut werden, jahrhundertelang erhalten bleiben und keine plötzlichen Leichenberge hinterlassen, sondern dauerhaft geschwächte Menschen. Abwasserdämme und andere technische Sicherheitsvorkehrungen leiden bis heute an einer hohen Versagensquote.
Öl ist wie Kohle ein Massengut, das wir sehen können. An der Zapfsäule können wir ablesen, wie viele Liter wir gerade gekauft haben. Wir wissen, wozu wir es brauchen, wir halten es für unentbehrlich, wir haben erlebt, wie unangenehm eine Ölknappheit sein kann, wir haben Angst, dass sie irgendwann wieder eintritt, wir sind dankbar, dass wir überhaupt Benzin für unsere Autos haben, und wir murren nicht allzu laut, wenn wir dafür höhere Preise bezahlen müssen. Deshalb konnte die Öl- und Kohleindustrie ihre Kosten für Umweltschutzmaßnahmen auf die Verbraucher abwälzen. Metalle werden mit Ausnahme des Eisens (das als Stahl verwendet wird) vorwiegend für unsichtbare kleine Teile im Innenleben unserer Autos, Telefone und anderer Gerätschaften gebraucht. (Wer kann schon schnell und ohne im Lexikon nachzusehen folgende Frage beantworten: Wozu brauchen wir Kupfer und Palladium, und wie viel Gramm dieser beiden Metalle waren in den Gegenständen enthalten, die wir letztes Jahr gekauft haben?) Wenn aufwendige Umweltschutzmaßnahmen im Kupfer- und Palladiumbergbau die Autopreise steigen lassen, können wir uns nicht sagen: »Na gut,
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