Kollaps
der fast ebenso arm ist wie Montana, betreibt seit 1988 zur Förderung seiner Wirtschaft ein großes Programm zur Erdgasgewinnung, das sich dieses Verfahrens bedient. Das dabei entstehende Salzwasser fließt aus Wyoming in das Powder River Basin im Südosten von Montana.
Um zu verstehen, unter welchen scheinbar unlösbaren Wasserproblemen Montana und andere trockene Gebiete des nordamerikanischen Westens leiden, muss man sich zunächst einmal klarmachen, dass das Bitterroot Valley sein Wasser aus zwei im Wesentlichen unabhängigen Quellen bezieht: einerseits aus Gebirgsbächen, Seen oder dem Bitterroot River, die das Wasser für die Bewässerungsgräben auf den Feldern liefern, und andererseits aus Brunnen, die in unterirdische, Wasser führende Schichten gebohrt werden und den größten Teil des Wassers für die Haushalte beisteuern. Die größeren Ortschaften im Tal haben eine städtische Wasserversorgung, die Häuser außerhalb dieser wenigen Orte dagegen beziehen ihr Wasser aus privaten Einzelbrunnen. Beide Systeme - Bewässerung und Haushaltswasser - stehen vor dem gleichen Problem: Die Zahl der Verbraucher nimmt zu, die Wassermenge nimmt ab. Vern Woolsley, im Tal der zuständige Beamte für die Wasserversorgung, erklärte es mir kurz und knapp so: »Wenn eine Wasserquelle von mehr als zwei Menschen genutzt wird, haben wir ein Problem. Aber warum ums Wasser streiten? Vom Streiten vermehrt sich das Wasser nicht.«
Die Ursache für den Rückgang der Wassermenge liegt letztlich im Klimawandel: In Montana wird es wärmer und trockener. Die globale Erwärmung wird in verschiedenen Regionen der Erde Gewinner und Verlierer hervorbringen, aber Montana gehört dabei zu den großen Verlierern: Der Niederschlag hat hier für die Landwirtschaft schon immer nur knapp ausgereicht. Im Osten Montanas mussten wegen der Trockenheit mittlerweile große landwirtschaftliche Flächen aufgegeben werden, und das Gleiche gilt für die benachbarten kanadischen Provinzen Alberta und Saskatchewan. In meinem Urlaubsgebiet im Westen Montanas sind die Auswirkungen der globalen Erwärmung deutlich zu erkennen: Der Schnee bleibt im Gebirge auf große Höhen beschränkt, und auf den Bergen rund um das Big Hole Basin bleibt er, anders als bei meinem ersten Besuch 1953, im Sommer überhaupt nicht mehr liegen.
Den auffälligsten Effekt in Montana oder vielleicht auf der ganzen Welt hat die globale Erwärmung im Glacier National Park. Die Gletscher sind auf der ganzen Welt im Rückgang begriffen, ob am Kilimandscharo, in den Anden und den Alpen, auf den Bergen Neuguineas oder rund um den Mount Everest. Aber in Montana hat man das Phänomen besonders gründlich untersucht, weil die Gletscher hier für Klimaforscher und Touristen leicht zugänglich sind. Als Naturforscher gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstmals in das Gebiet des heutigen Glacier National Park kamen, gab es dort über 150 Gletscher; heute sind davon noch 35 übrig, und auch die haben nur noch einen Bruchteil der Größe, von der die Erstbeschreibung spricht. Wenn sie im derzeitigen Tempo weiter abschmelzen, gibt es 2030 im Glacier National Park überhaupt keine Gletscher mehr. Ein solcher Rückgang der Schneemenge im Gebirge wirkt sich negativ auf die Bewässerungssysteme aus, denn diese beziehen ihr Wasser im Sommer aus dem Schnee, der im Gebirge liegen geblieben ist und langsam taut. Ebenso schädlich sind die Auswirkungen auch für die Grundwasserschichten des Bitterroot River, deren Wassergehalt in jüngerer Zeit durch die Trockenheit ebenfalls abgenommen hat.
Am Boden des Tales fallen im Jahr nur rund 330 Millimeter Niederschlag. Ohne Bewässerung bestünde die Vegetation des Tales vorwiegend aus amerikanischem Beifuß, wie Lewis und Clark es nach ihrer Expedition in den Jahren 1805/1806 berichteten und wie man es auch heute beobachtet, wenn man den letzten Bewässerungskanal auf der Ostseite des Tales überquert hat. Schon Ende des 19. Jahrhunderts begann der Bau von Bewässerungssystemen für die Landwirtschaft, die vom Schmelzwasser aus dem Hochgebirge am Westrand des Tales gespeist wurden, und 1909/10 erreichte die Bautätigkeit ihren Höhepunkt. Innerhalb der einzelnen Bewässerungssysteme oder »Distrikte« hat jeweils ein Grundbesitzer oder eine Gruppe von Grundbesitzern das Recht, dem System eine festgelegte Wassermenge zu entnehmen.
Leider ist aber das Wasser in den meisten Bewässerungsdistrikten des Bitterroot Valley »überverteilt«. Was das bedeutet, ist für
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