Kollaps
Dollar pro Tag angehoben hatte: Das Gericht erklärte, Fords humanitäre Empfindungen gegenüber seinen Angestellten seien zwar lobenswert, aber das Unternehmen sei dazu da, Gewinne für die Aktionäre zu erzielen.
Unsere Vorwürfe an die Adresse der Unternehmen lassen außerdem außer Acht, dass es letztlich in der Verantwortung der Öffentlichkeit liegt, ob sie die Voraussetzungen schafft, damit ein Unternehmen durch Schädigung der Öffentlichkeit Gewinne erzielen kann, zum Beispiel weil sie von den Bergbauunternehmen keine Rekultivierung fordert und weil viele Menschen weiterhin Holzprodukte aus nicht nachhaltiger Forstwirtschaft kaufen. Auf lange Sicht hat die Allgemeinheit entweder indirekt oder auf dem Weg über ihre Politiker die Macht, umweltschädliche Verhaltensweisen zu einem Verlustgeschäft und zu illegaler Tätigkeit zu machen, während eine nachhaltige ökologische Praxis Gewinne einbringt. Die Öffentlichkeit kann Unternehmen auf Schadenersatz verklagen, wie es nach den Katastrophen mit Exxon Valdez, Piper Alpha und Bhopal geschah; sie kann bevorzugt nachhaltig hergestellte Produkte kaufen, eine Vorgehensweise, auf die Home Depot und Unilever sich bereits einstellen; sie kann dafür sorgen, dass die Mitarbeiter von Firmen mit schlechter Umweltbilanz sich für ihr Unternehmen schämen und sich gegenüber ihren eigenen Vorgesetzten beschweren; sie kann dafür sorgen, dass Regierungen profitable Verträge mit Unternehmen abschließen, die eine gute Umweltbilanz vorzuweisen haben, wie es die norwegische Regierung mit Chevron tat; und sie können Druck auf ihre Regierungen ausüben, damit diese Gesetze und Vorschriften verabschieden und durchsetzen, die umweltfreundliches Verhalten verlangen wie beispielsweise die neuen Vorschriften für die Kohleindustrie, die in den Vereinigten Staaten in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts erlassen wurden. Die Großunternehmen können ihrerseits sehr wirksam Druck auf ihre Lieferanten ausüben, die den Druck von Öffentlichkeit und Regierungen möglicherweise nicht fürchten. Als beispielsweise die amerikanische Öffentlichkeit sich immer größere Sorgen um die Ausbreitung des Rinderwahnsinns machte, erließ die Lebensmittelbehörde der USA neue Vorschriften, wonach die Lebensmittelindustrie manche Methoden, die die Verbreitung begünstigten, aufgeben musste. Die Fleisch verarbeitenden Betriebe widersetzten sich fünf Jahre lang und behaupteten, die Befolgung der Vorschriften sei zu teuer. Als aber dann bei McDonalds der Hamburger-Absatz zurückging und das Unternehmen daraufhin dieselben Anforderungen stellte, kam die Fleischindustrie der Forderung innerhalb weniger Wochen nach. Der Grund: »Wir haben den größten Einkaufswagen der Welt«, wie ein Mc-Donalds-Sprecher es einmal formulierte. Die Öffentlichkeit muss erkennen, welche Glieder in der Lieferantenkette am ehesten auf den Druck der Allgemeinheit reagieren. Solche Glieder sind beispielsweise McDonald’s, Home Depot und Tiffany, aber nicht die Fleischverarbeitungsbetriebe, Holzkonzerne oder Goldbergbauunternehmen.
Manch einer ist jetzt vielleicht enttäuscht oder empört, dass ich die letzte Verantwortung für das Verhalten von Unternehmen, die der Öffentlichkeit schaden, ebendieser Öffentlichkeit zuschiebe. Ebenso erlege ich dieser Öffentlichkeit die zusätzlichen Kosten auf, falls solche Kosten überhaupt durch umweltfreundliches Verhalten entstehen - ich betrachte sie als Produktionskosten wie alle anderen. Es mag so aussehen, als ließe ich mit meinen Ansichten ein ethisches Gebot außer Acht, wonach Unternehmen sich anständig verhalten sollten, ganz gleich ob es ihnen Gewinn bringt oder nicht. Ich nehme lieber etwas anderes zur Kenntnis: In der gesamten Menschheitsgeschichte, in allen politisch komplexen Gesellschaften, in denen Menschen mit anderen zusammentreffen, ohne dass sie mit ihnen durch Familien- oder Sippenzugehörigkeit verbunden sind, haben sich staatliche Vorschriften genau deshalb entwickelt, weil damit ethische Prinzipien durchgesetzt werden mussten. Sich an ethische Prinzipien zu erinnern, ist eine notwendige erste Voraussetzung für anständiges Verhalten, aber es reicht allein nicht aus.
Die Erkenntnis, dass letztlich die Öffentlichkeit auch für das Verhalten der größten Unternehmen verantwortlich ist, stellt für mich keine Enttäuschung dar, sondern sie vermittelt mir ein Gefühl von Macht und Hoffnung. Es geht mir nicht um ethische Aussagen darüber,
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