Kollaps
sofort bestraft werden: kein kostenloses Bauholz für ihre Häuser mehr, umfangreiche Bodenerosion, und (eine tragische Klage, die ich ständig höre) kein Geld für Kleidung, Bücher und die Schulgebühren für die Kinder. Dass der Wald hinter ihrem Dorf dennoch abgeholzt wird, liegt meistens entweder an einer korrupten Regierung, die trotz häufig gewalttätiger Proteste die Abholzung angeordnet hat, oder sie haben widerwillig einen Pachtvertrag unterzeichnet, weil sie keine andere Möglichkeit gesehen haben, sich im nächsten Jahr das Geld für ihre Kinder zu verschaffen. Meine besten Freunde in der Dritten Welt, Familien mit vier bis acht Kindern, klagen immer wieder: Sie haben gehört, dass es in den Industrieländern ungefährliche Methoden zur Empfängnisverhütung gibt, und die wollen sie unbedingt auch selbst anwenden, aber sie haben keinen Zugang dazu oder können sie sich nicht leisten, unter anderem weil die US-Regierung sich weigert, im Rahmen ihrer Entwicklungshilfeprogramme auch Familienplanung zu finanzieren.
Eine andere Ansicht ist unter wohlhabenden Bewohnern der Industrieländer ebenfalls weit verbreitet, wird aber selten offen ausgesprochen: Sie kommen selbst gut zurecht, wenn sie trotz aller ökologischen Probleme ihre Lebensweise beibehalten, und eigentlich interessieren sie sich nicht für diese Probleme, weil sie vor allem Menschen in der Dritten Welt betreffen (aber es so unverblümt zu formulieren, ist politisch nicht korrekt). In Wirklichkeit sind auch die reichen Länder nicht immun gegen ökologische Probleme. Wie alle anderen Menschen, so wollen auch die Manager der Großunternehmen in den Industrieländern essen, trinken, atmen und Kinder bekommen. Probleme der Wasserqualität können sie zwar in der Regel umgehen, indem sie Wasser aus Flaschen trinken, aber die Umgehung der Probleme mit Lebensmittel- und Luftqualität fällt ihnen ebenso schwer wie allen anderen. Da sie an einer unverhältnismäßig hohen Stelle der Nahrungskette stehen, wo Giftstoffe bereits stark angereichert sind, ist die Gefahr von Fortpflanzungsstörungen bei ihnen sogar eher größer: Sie nehmen Giftstoffe auf oder kommen mit ihnen in Kontakt, und das könnte dazu beitragen, dass solche Menschen in einem besonders hohen Maße unfruchtbar sind und beim Zeugen von Kindern immer häufiger medizinische Unterstützung in Anspruch nehmen müssen. Im Übrigen konnten wir aus unserer Beschreibung der Mayakönige, der Wikingerhäuptlinge in Grönland und der Häuptlinge auf der Osterinsel unter anderem den Schluss ziehen, dass reiche Menschen ihre eigenen Interessen und die ihrer Kinder auf Dauer nicht sichern können, wenn sie über eine zusammenbrechende Gesellschaft herrschen und für sich selbst nur das Vorrecht einkaufen, als Letzte zu hungern oder zu sterben. Betrachtet man die Gesellschaft der Industrieländer als Ganzes, dann ist ihr Ressourcenverbrauch zum größten Teil für den Gesamtverbrauch der Welt verantwortlich, der zu den am Anfang dieses Kapitels beschriebenen Auswirkungen geführt hat. Unser nicht nachhaltiger Verbrauch hat zur Folge, dass die Industrieländer ihren derzeitigen Kurs selbst dann nicht mehr lange beibehalten könnten, wenn es die Dritte Welt nicht gäbe und wenn diese nicht bestrebt wäre, zu uns aufzuschließen.
»Wirklich bedrohlich werden diese ökologischen Probleme erst in ferner Zukunft, wenn ich längst tot bin. Deshalb kann ich sie nicht ernst nehmen.« Wenn es so weitergeht wie bisher, werden die zwölf wichtigen ökologischen Probleme, die ich zu Beginn dieses Kapitels genannt habe, in Wirklichkeit bereits zu Lebzeiten der heutigen jungen Erwachsenen akut werden. Wer Kinder hat, sieht in der Sicherung von deren Zukunft das wichtigste Ziel, für das man Zeit und Geld aufwendet. Wir bezahlen ihre Schulausbildung, ihre Nahrung und Kleidung, verfassen ein Testament zu ihren Gunsten und schließen ihretwegen eine Lebensversicherung ab, alles mit dem Ziel, dass sie sich in 50 Jahren eines angenehmen Lebens erfreuen können. Es hat keinen Sinn, wenn wir das alles für unsere Kinder tun und gleichzeitig durch andere Handlungsweisen die Welt zugrunde richten, in der unsere Kinder in 50 Jahren leben werden.
Dieses paradoxen Verhaltens habe ich mich auch selbst schuldig gemacht: Ich bin 1937 geboren, und bevor meine Kinder zur Welt kamen, konnte ich Vorgänge wie die globale Erwärmung oder die Vernichtung der tropischen Regenwälder, die für das Jahr 2037 vorausberechnet waren, nicht
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