Kollaps
überwältigende Armut wie in allen Staaten auf der Liste. Das beste Vorhersagekriterium für das »Versagen von Staaten« - das heißt für Revolutionen, gewaltsamen Regierungswechsel, Zusammenbruch der staatlichen Autorität und Völkermord -ist also in unserer Zeit das Ausmaß der ökologischen Belastung und des Bevölkerungsdruckes, und die Anzeichen dafür sind hohe Säuglingssterblichkeit, schnelles Bevölkerungswachstum, ein hoher Anteil der 15- bis 30-Jährigen an der Gesamtbevölkerung und eine große Zahl arbeitsloser junger Männer ohne Berufsaussichten, die sich leicht für Milizen rekrutieren lassen. Solche Belastungen führen zu Konflikten um knappe Landflächen (wie in Ruanda), Wasser, Wälder, Fischgründe, Öl und Bodenschätze. Sie schaffen nicht nur ständige innere Spannungen, sondern führen auch zur Auswanderung politischer und wirtschaftlicher Flüchtlinge, und wenn autoritäre Regierungen ihre Nachbarstaaten angreifen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den inneren Problemen abzulenken, kommt es zum Krieg.
Kurz gesagt, geht es eigentlich nicht darum, ob es zum Zusammenbruch früherer Gesellschaften in unserer Zeit Parallelen gibt und ob wir daraus etwas lernen können. Diese Frage ist beantwortet, denn solche Zusammenbrüche haben sich in jüngster Zeit tatsächlich ereignet, und andere stehen anscheinend unmittelbar bevor. Die eigentliche Frage lautet: Wie viele weitere Staaten werden davon betroffen sein?
Was die Terroristen angeht, so könnte man einwenden, dass viele politische Mörder, Selbstmordattentäter und die Terroristen des 11. September keine ungebildeten, verzweifelten Menschen waren, sondern eine gute Bildung besaßen und gut bezahlt wurden. Das stimmt, aber auch sie waren auf eine verzweifelte Gesellschaft angewiesen, die sie unterstützte und tolerierte. Jede Gesellschaft hat ihre mörderischen Fanatiker; die Vereinigten Staaten selbst brachten einen Timothy McVeigh (der für das verheerende Bombenattentat von Oklahoma City verantwortlich war) und einen in Harvard ausgebildeten Theodore Kaczinski (den so genannten UNA-Bomber) hervor. Aber gut ernährte Gesellschaften mit guten Berufsaussichten wie in den Vereinigten Staaten, Finnland und Südkorea bieten ihren Fanatikern keine breite Unterstützung.
Durch die Globalisierung werden die Probleme dieser vielen ökologisch zerstörten, überbevölkerten, weit entfernten Länder zu unseren eigenen. Unter Globalisierung stellen wir uns in der Regel vor, dass wir, die Menschen in den fortgeschrittenen Industrieländern, unsere Segnungen wie Internet und Coca-Cola an die armen, zurückgebliebenen Bewohner der Dritten Welt weitergeben. In Wirklichkeit bedeutet Globalisierung aber nichts anderes als eine verbesserte weltweite Kommunikation, und durch die können viele Dinge in beiden Richtungen übertragen werden; Globalisierung beschränkt sich nicht auf gute Dinge, die aus den Industrieländern in die Dritte Welt transportiert werden.
Unter den schlechten Dingen, die aus den Industrieländern in Drittweltstaaten gelangen, haben wir bereits die Millionen Tonnen Elektronikschrott erwähnt, die jedes Jahr absichtlich nach China gebracht werden. Um zu begreifen, in welchem Umfang weltweit unabsichtliche Mülltransporte stattfinden, braucht man nur einmal zu betrachten, wie viel Abfall an den Stränden der winzigen Atolle Oeno und Ducie im Südostpazifik (siehe Landkarte Seite 156) eingesammelt wurden: Die beiden unbewohnten Atolle besitzen kein Süßwasser, werden selbst von Yachten nur selten angelaufen und gehören zu den abgelegensten Landfleckchen der Erde; beide sind selbst von dem unbewohnten Henderson nochmals über 150 Kilometer entfernt. Dort entdeckte man bei Untersuchungen auf jedem Meter Strand durchschnittlich ein Stück Abfall: Treibgut von Schiffen oder aus asiatischen und amerikanischen Staaten an der Pazifikküste, die Tausende von Kilometern entfernt sind. Die häufigsten Gegenstände waren dabei Plastiktüten, Schwimmer, Glas- und Plastikflaschen (insbesondere Suntory-Whiskyflaschen aus Japan), Seile, Schuhe und Glühbirnen, aber auch Kuriositäten wie Fußbälle, Spielzeugsoldaten und -flugzeuge, Fahrradpedale und Schraubenzieher.
Es gibt aber noch schlimmere Beispiele für Schlechtes, das aus den Industrieländern in die Entwicklungsländer exportiert wird: Die höchste Konzentration industrieller Schadstoffe und Pestizide in der ganzen Welt findet man bei den Inuit (Eskimos) im Osten Grönlands und in
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