Kollaps
ernst nehmen. Zu jener Zeit würde ich mit Sicherheit nicht mehr leben, und schon die Zahl 2037 erschien mir unwirklich. Als aber meine beiden Söhne - Zwillinge -1987 geboren wurden, und als ich dann zusammen mit meiner Frau die ganze elterliche Versessenheit mit Schule, Lebensversicherung und Testament durchlebte, ging mir plötzlich ein Licht auf: Im Jahr 2037 würden meine Kinder so alt sein, wie ich gerade war, nämlich 50! Was hat es für einen Sinn, den Kindern das eigene Vermögen zu vermachen, wenn es in der Welt bis dahin ohnehin drunter und drüber geht?
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg lebte ich fünf Jahre in Europa, und dann heiratete ich in eine polnische Familie mit einem japanischen Zweig ein. Dabei erlebte ich hautnah mit, was geschehen kann, wenn Eltern sich zwar individuell um ihre Kinder kümmern, aber nicht um die zukünftige Welt ihrer Kinder. Die Eltern meiner polnischen, deutschen, japanischen, russischen, britischen und jugoslawischen Freunde hatten ebenfalls Lebensversicherungen abgeschlossen, Testamente geschrieben und sich um eine gute Schulausbildung für ihre Kinder bemüht, genau wie meine Frau und ich es in jüngerer Zeit getan haben. Manche von ihnen waren reich und hätten ihren Kindern wertvolles Eigentum hinterlassen können. Aber sie kümmerten sich nicht genug um die Welt ihrer Kinder und stürzten in die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges. Dadurch wurde fast allen meinen europäischen und japanischen Freunden, die im gleichen Jahr geboren sind wie ich, in irgendeiner Form das Leben verdorben: Sie wurden zu Waisen, wurden von einem oder beiden Eltern schon in der Kindheit getrennt, wurden ausgebombt, erhielten keine gute Schulausbildung, verloren das Familienvermögen oder wuchsen bei Eltern auf, die durch Erinnerungen an Krieg und Konzentrationslager belastet waren. Für den Fall, dass wir heute nicht für die Welt unserer Kinder sorgen, würden wir zwar jetzt ein anderes Zukunftsszenario zeichnen, aber das ist nicht weniger unerfreulich.
Damit bleiben zwei Einwände übrig, mit denen wir uns noch nicht befasst haben: »Zwischen den heutigen Gesellschaften und denen, die in früherer Zeit auf der Osterinsel, bei den Maya und Anasazi zusammengebrochen sind, bestehen große Unterschiede; deshalb lassen sich die Lehren aus der Vergangenheit nicht einfach übertragen.« Und: »Was kann ich als Einzelner denn schon tun, wo die Welt doch von unaufhaltsamen, mächtigen Regierungen und Unternehmen gelenkt wird?« Anders als die zuvor genannten Bedenken, die man bei näherem Hinsehen sehr schnell zu den Akten legen kann, sind diese beiden stichhaltig begründet. Der ersten Frage werde ich den Rest dieses Kapitels widmen, mit der zweiten beschäftigt sich ein Teil des Kapitels »Weiterführende Literatur« (Seite 652 ff.).
Bestehen zwischen Vergangenheit und Gegenwart so enge Parallelen, dass wir aus den Zusammenbrüchen auf der Osterinsel und Henderson, bei den Anasazi, den Maya und den grönländischen Wikingern tatsächlich Lehren für die heutige Zeit ableiten können? Angesichts der offenkundigen Unterschiede könnte ein Kritiker versucht sein, einzuwenden: »Es ist doch lächerlich, wenn man annimmt, die Zusammenbrüche dieser alten Völker könnten für die moderne Zeit besondere Bedeutung haben. Damals gab es nicht die Wunder der modernen Technik, die uns nützen und uns durch die Erfindung neuer, umweltfreundlicher Technologien bei der Problemlösung helfen. Damals hatten die Menschen das Pech, dass sie unter den Auswirkungen von Klimaveränderungen leiden mussten. Sie waren dumm und haben ihre eigene Umwelt zugrunde gerichtet, weil sie ganz offenkundig törichte Dinge getan haben, beispielsweise indem sie ihre Wälder abholzten, zu viele wilde Tiere als Proteinlieferanten töteten, untätig der Erosion ihrer Böden zusahen und Städte in trockenen Regionen errichten, wo die Wasserknappheit programmiert war. Sie hatten törichte Anführer, die keine Bücher besaßen und nichts aus der Geschichte lernen konnten, die sie in teure Kriege mit ungewissem Ausgang stürzten, nur um selbst an der Macht zu bleiben, und die den Problemen im eigenen Land keine Beachtung schenkten. Sie wurden von hungernden Einwanderern überrannt, und als eine Gesellschaft nach der anderen zusammenbrach, belastete eine Flut von Wirtschaftsflüchtlingen die Ressourcen der Gesellschaften, die noch nicht zusammengebrochen waren. In allen diesen Aspekten unterscheiden wir modernen Menschen uns grundlegend
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