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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Inseln, aber alle Clans teilten sich den Statuensteinbruch Rano Raraku, den Pukao-Steinbruch Puna Pau und ein paar Steinbrüche für Obsidian. Als die Gesellschaft der Osterinsel zerfiel, zerfielen alle Sippen gleichzeitig, aber sonst wusste niemand in der Welt davon, und niemand sonst war davon betroffen. Der Polder Südostpolynesiens bestand aus drei voneinander abhängigen Inseln, sodass der Niedergang der Gesellschaft auf Mangareva auch für die Bewohner von Pitcairn und Henderson eine Katastrophe bedeutete, sonst aber für niemanden. Der Polder der alten Maya umfasste große Teile der Halbinsel Yucatan und einige benachbarte Regionen. Als die klassischen Mayastädte im Süden der Halbinsel zusammenbrachen, dürften Flüchtlinge auch in den Norden von Yucatan gelangt sein, aber nach Florida kamen sie sicher nicht. Heute dagegen ist unsere ganze Welt ein einziger Polder, sodass die Ereignisse auf der ganzen Welt alle betreffen. Als das weit entfernte Somalia zusammenbrach, marschierten amerikanische Truppen ein; als das frühere Jugoslawien und die Sowjetunion zusammenbrachen, strömten Flüchtlinge in alle Teile Europas und in die übrige Welt; und als ein Wandel von Gesellschaft, Besiedelung und Lebensweise in Afrika und Asien zur Ausbreitung neuer Krankheiten führte, wanderten diese Krankheiten rund um die Erde. Heute ist die ganze Welt eine begrenzte, isolierte Einheit wie früher Tikopia oder das Japan der Tokugawazeit. Und wie die Japaner oder die Bewohner von Tikopia müssen wir erkennen, dass es keine andere Insel und keinen anderen Planeten gibt, den wir um Hilfe bitten oder auf den wir unsere Probleme exportieren könnten. Wie sie müssen wir lernen, mit unseren eigenen Mitteln zurechtzukommen.
    Zu Beginn dieses Abschnitts habe ich eingeräumt, dass es zwischen der früheren und der modernen Welt wichtige Unterschiede gibt. Die Unterschiede, die ich dann erwähnt habe - die größere Bevölkerung und die potenziell destruktivere Technologie unserer Zeit sowie die Verflechtungen, die das Risiko eines globalen statt eines lokalen Zusammenbruches heraufbeschwören - könnten auf den ersten Blick der Anlass für eine pessimistische Sicht auf die Zukunft sein. Wenn schon die Bewohner der Osterinsel ihre viel kleineren, lokalen Probleme nicht lösen konnten, wie sollen wir dann darauf hoffen, dass wir unsere großen, globalen Schwierigkeiten in den Griff bekommen?
    Menschen, die wegen solcher Gedanken deprimiert sind, fragen mich häufig: »Jared, bist du optimistisch oder pessimistisch, was die Zukunft unserer Welt angeht?« Darauf erwidere ich: »Ich bin vorsichtig optimistisch.« Was ich damit meine? Einerseits räume ich ein, dass wir schwer wiegenden Problemen gegenüberstehen. Wenn wir uns nicht mit Entschlossenheit um ihre Lösung bemühen und wenn wir mit diesen Bemühungen keinen Erfolg haben, wird die ganze Welt in den nächsten Jahrzehnten eine Abnahme des Lebensstandards oder vielleicht noch Schlimmeres erleben. Das ist der Grund, warum ich mich entschlossen habe, meine beruflichen Anstrengungen in diesem Stadium meines Lebens zum größten Teil auf ein einziges Ziel zu verwenden: Ich möchte andere Menschen davon überzeugen, dass wir unsere Probleme ernst nehmen müssen und dass wir anders nicht davonkommen. Andererseits sind wir aber in der Lage, unsere Probleme zu lösen - wenn wir es wollen. Das ist der Grund, warum meine Frau und ich uns vor 18 Jahren entschlossen haben, Kinder zu bekommen: weil wir Anlass zur Hoffnung sahen.
    Ein Grund zur Hoffnung besteht bei realistischer Betrachtung darin, dass wir bisher nicht unter unlösbaren Problemen leiden. Wir stehen zwar großen Gefahren gegenüber, aber die schlimmsten dieser Gefahren entziehen sich - anders als die Kollision mit einem riesigen Asteroiden, wie er die Erde vor rund 100 Millionen Jahren getroffen hat - nicht unserer Kontrolle. Es sind selbst gemachte Schwierigkeiten. Da wir selbst die Ursache unserer ökologischen Probleme sind, können wir sie auch beeinflussen: Wir können uns dafür oder dagegen entscheiden, sie nicht mehr weiter zu verursachen und stattdessen ihre Lösung in Angriff zu nehmen. Die Zukunft liegt in unserer eigenen Hand. Zur Lösung unserer Probleme brauchen wir keine neue Technologie; neue technische Verfahren können zwar einen Beitrag leisten, vor allem aber brauchen wir »nur« den politischen Willen, die bereits vorhandenen Verfahren zur Lösung anzuwenden. Natürlich ist das ein großes »nur«. Aber auch

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