Kollaps
gleichzeitig umzustellen: Sie müssen Unkraut jäten, Herbizide anwenden, Dünger anders einsetzen, natürliche Feinde der Unkräuter (Insekten und Pilze) freisetzen, kontrollierte Brände entzünden, nach neuen Zeitplänen mähen und die Fruchtfolge sowie die Beweidung verändern. Und das alles wegen einiger kleiner Pflanzen, deren Gefährlichkeit man früher meist nicht einschätzen konnte und deren Samen unbemerkt ins Land kamen.
Das scheinbar so unberührte Montana leidet also in Wirklichkeit unter zahlreichen Umweltproblemen: Giftmüll, Waldverlust, Bodenerosion, Wasserverschmutzung, Klimawandel, Verlust von Artenvielfalt und eingeschleppte Schädlinge. All diese Schäden äußern sich auch als wirtschaftliche Schwierigkeiten. Sie sind einer der wichtigsten Gründe, warum es mit der Wirtschaft in Montana während der letzten Jahrzehnte so weit bergab gegangen ist, dass der Staat, früher einer der reichsten in den USA, heute zu den ärmsten gehört.
Ob und wie die Probleme sich lösen lassen, wird von der Haltung und den Wertvorstellungen der Bürger abhängen. Aber die Bevölkerung wird immer uneinheitlicher und kann sich für Umwelt und Zukunft ihres Staates immer weniger auf eine gemeinsame Vision einigen. Zu der zunehmenden Polarisierung der Meinungen haben sich viele meiner Bekannten geäußert. Der Banker Emil Erhardt erklärte beispielsweise: »Hier findet eine viel zu aufgeregte Debatte statt. Der Wohlstand der fünfziger Jahre führte dazu, dass wir damals alle arm waren oder uns arm fühlten. Extremen Reichtum gab es nicht, oder zumindest war er nicht sichtbar. Jetzt haben wir eine zweigeteilte Gesellschaft. Unten müssen Familien mit geringem Einkommen ums Überleben kämpfen, und die reichen Zugereisten ganz oben haben so viel Eigentum angehäuft, dass sie sich abschotten können. Letztlich haben wir eine Zoneneinteilung, aber die macht sich nicht an der Landnutzung fest, sondern am Geld!«
Die Polarisierung, von der meine Bekannten reden, hat viele Gesichter: reich und arm, Alteingesessene und Zugezogene, Anhänger einer traditionellen Lebensweise und Reformwillige, Wachstumsbefürworter und Wachstumsgegner, Anhänger und Gegner staatlicher Planung, Familien mit und ohne schulpflichtige Kinder. Verschärft werden die Meinungsverschiedenheiten durch die typischen Widersprüche in Montana, die ich zu Beginn des Kapitels erwähnt habe: ein Staat mit armen Bewohnern, der aber reiche Neubürger anzieht, obwohl die Kinder aus Montana selbst dem Staat den Rücken kehren, sobald sie die High School hinter sich haben.
Anfangs habe ich mich gefragt, ob die Umweltprobleme und die Polarisierung der Meinungen in Montana etwas mit dem Egoismus derer zu tun haben, die ihre eigenen Interessen durchsetzen, obwohl sie ganz genau wissen, dass sie die übrige Gesellschaft in Montana damit schädigen. In manchen Fällen mag es so ein, beispielsweise wenn manche Verantwortlichen in den Minen an der Cyanidlaugung festhalten wollen, obwohl bis zum Überdruss nachgewiesen ist, welche Probleme von den dabei entstehenden Schadstoffen ausgehen; oder wenn manche Farmbesitzer ihre Rot- und Wapitihirsche untereinander austauschen, obwohl die damit verbundene Gefahr der Krankheitsausbreitung allgemein bekannt ist; oder wenn manche Angler um ihres eigenen Vergnügens willen aggressive Hechte in Seen und Flüssen aussetzen, obwohl die Fischbestände an anderen Stellen durch solche Maßnahmen bereits zerstört wurden. Aber auch in solchen Fällen habe ich die beteiligten Personen nicht befragt, und ich weiß nicht, ob sie ehrlich behaupten können, sie hätten nach ihrer eigenen Einschätzung nichts Gefährliches getan. Wenn ich mit Bürgern von Montana gesprochen habe, musste ich immer wieder feststellen, dass ihre Taten mit ihren Wertvorstellungen übereinstimmten, wobei diese Wertvorstellungen allerdings manchmal im Widerspruch zu meinen eigenen oder denen anderer Bewohner des Staates standen. Oder anders ausgedrückt: Man kann für die Schwierigkeiten in Montana nicht einfach böse, egoistische Menschen verantwortlich machen, die wissentlich und rücksichtslos auf Kosten ihrer Nachbarn nach eigenem Profit streben. Stattdessen kommt es zum Konflikt zwischen Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft und Wertvorstellungen unterschiedliche Handlungsweisen bevorzugen. Einige Punkte, bei denen es derzeit gegensätzliche Meinungen über die Gestaltung der Zukunft von Montana gibt, möchte ich im Folgenden beschreiben.
Ein Konflikt
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