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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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bequem haben. Wenn es um einen Job geht, fragen sie als Erstes: »Wie viel Geld, wie viele Wochenstunden, wie viel Urlaub?« In Montana machen sich alle Farmer, die ich kenne und die gern Farmer sind, ernste Sorgen um die Frage, ob ihre Kinder den Hof der Familie weiterführen werden, und manche wissen auch schon, dass keiner es tun wird.
    Heute ist es schon aus wirtschaftlichen Gründen äußerst schwierig, mit einer Farm seinen Lebensunterhalt zu verdienen: Die Kosten sind in solchen Betrieben viel schneller gestiegen als die Einnahmen. Für Milch und Rindfleisch erhält ein Bauer heute praktisch die gleichen Preise wie vor zwanzig Jahren, die Kosten für Treibstoff, landwirtschaftliche Maschinen, Düngemittel und andere notwendige Dinge sind dagegen viel höher. Ein Beispiel nennt Rick Laible: »Wenn ein Farmer vor fünfzig Jahren einen neuen Traktor brauchte, hat er dafür zwei Kühe verkauft. Heute kostet ein Traktor etwa 15 000 Dollar, aber für eine Kuh bekommt man nach wie vor nur 600 Dollar, das heißt, der Farmer müsste 25 Kühe verkaufen, um den Traktor zu finanzieren.«
    Durch schrumpfende Gewinnmargen und verschärfte Konkurrenz sind Hunderte von kleinen landwirtschaftlichen Betrieben im Bitterroot Valley, die sich früher finanziell selbst trugen, heute unwirtschaftlich. Zunächst stellten die Bauern fest, dass sie nur mit dem zusätzlichen Einkommen aus Zweitjobs überleben konnten, und dann mussten sie die Landwirtschaft ganz aufgeben, weil sie abends und am Wochenende neben dem Zweitjob zu viel Zeit kosteten. Vor sechzig Jahren konnten Kathy Vaughns Großeltern beispielsweise von einer 17-Hektar-Farm leben, also kauften Kathy und Pat Vaughn sich 1977 ebenfalls eine Farm von 17 Hektar. Mit sechs Kühen, sechs Schafen, ein paar Schweinen, Heu und ihren Nebentätigkeiten - Kathy arbeitete als Lehrerin, Pat baute Bewässerungssysteme - konnten sie auf der Farm drei Kinder ernähren und großziehen, aber sie hatten keinerlei Sicherheit und keine Altersversorgung. Nach acht Jahren verkauften sie die Farm und zogen in die Stadt; von ihren Kindern wohnt heute keines mehr in Montana.
    Überall in den USA werden kleine Farmen von landwirtschaftlichen Großbetrieben verdrängt, die mit Massenproduktion die sinkenden Gewinnspannen auffangen können. Aber im Südwesten von Montana ist es für kleine Bauern heute nicht mehr möglich, Land hinzuzukaufen und zu Großfarmern zu werden. Die Gründe erklärt Allen Bjergo kurz und bündig so: »In den Vereinigten Staaten verlagert sich die Landwirtschaft in Regionen wie Iowa und Nebraska, wo es nicht so schön ist wie in Montana und wo deshalb niemand nur zum Spaß wohnt. Hier in Montana wohnen die Leute, weil sie sich wohl fühlen, und deshalb zahlen sie für die Grundstücke so viel, wie man es mit Landwirtschaft niemals finanzieren könnte. Das Bitterroot Valley wird zu einem Tal der Pferde. Pferde sind wirtschaftlich: Während die Preise für landwirtschaftliche Produkte vom Wert der Lebensmittel selbst abhängen und nicht unbegrenzt steigen können, sind viele Leute bereit, für Pferde jeden Preis zu zahlen, obwohl sie keinen wirtschaftlichen Nutzen bringen.«
    Die Grundstückspreise sind in Montana heute zehn bis zwanzig Mal höher als noch vor wenigen Jahrzehnten. Bei solchen Preisen sind die Kosten für eine Hypothek viel zu hoch, als dass man sie mit landwirtschaftlicher Nutzung erwirtschaften könnte. Das ist er unmittelbare Grund, warum die Farmer im Bitterroot Valley nicht durch Expansion überleben können und warum die Betriebe am Ende verkauft und anders genutzt werden. Lebt ein älterer Bauer bis zu seinem Tod auf seinem Anwesen, sind die Erben gezwungen, das Land an ein Bauunternehmen zu verkaufen; damit bringt es viel mehr ein als beim Verkauf an einen anderen Bauern, und nur mit diesem höheren Erlös sind die Steuern auf die Wertsteigerung der Immobilie zu finanzieren, die zu Lebzeiten des verstorbenen Farmers eingetreten ist. In den meisten Fällen verkaufen aber schon die betagten Besitzer selbst ihre Betriebe. Einerseits tut es ihnen zwar in der Seele weh, wenn das Land, das sie sechzig Jahre lang bestellt und geliebt haben, jetzt in Wohnsiedlungsparzellen von je 20 000 Quadratmetern aufgeteilt wird, aber auf der anderen Seite zahlt ein Immobilienentwicklungsunternehmen schon für eine kleine Farm, die sich früher selbst trug, über eine Million Dollar. Den alten Bauern bleibt keine andere Wahl: Sie brauchen das Geld, um im Alter ihren

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