Kollaps
Lebensunterhalt zu sichern, denn als Bauern konnten sie kein Geld zurücklegen, und die Kinder wollen den Betrieb ohnehin nicht weiterführen. Oder, wie Rick Laible es formuliert: »Für einen Bauern ist das Land die einzige Rentenversicherung.«
Warum sind die Grundstückspreise so stark in die Höhe geschossen? Letztlich liegt es daran, dass die großartige Landschaft des Bitterroot Valley so viele wohlhabende Neubürger anzieht. Bei denjenigen, die den alten Bauern ihr Land abkaufen, handelt es sich entweder um neu zugezogene Bauherren oder um Immobilienspekulanten, die das Land in Parzellen aufteilen und dann an Neuankömmlinge oder bereits im Tal ansässige, reiche Bürger weiterverkaufen. Dass das Tal in jüngster Zeit ein jährliches Bevölkerungswachstum von vier Prozent verzeichnet, liegt nicht an einem Geburtenüberschuss, sondern fast ausschließlich an Personen, die von außen neu in das Tal ziehen. Auch der Saisontourismus nimmt zu, weil immer mehr Feriengäste aus anderen Bundesstaaten (wie Stan Falkow, Lucy Tompkins und meine Söhne) zum Fliegenfischen, Golfspielen oder Jagen kommen. In einer Wirtschaftsanalyse, die der Kreis Ravalli kürzlich in Auftrag gab, heißt es: »Es dürfte kein Geheimnis sein, warum so viele Bürger in das Bitterroot Valley kommen. Kurz gesagt, ist es mit Bergen, Wäldern, Bachläufen, Wildtieren, Panoramalandschaften und relativ mildem Klima eine sehr attraktive Wohnregion.«
Die größte Gruppe der neu Zugezogenen sind die »Halbrentner« und Frührentner der Altersgruppe von 45 bis 59 Jahren. Sie leben von den Gewinnen, die sie durch den Verkauf ihrer Immobilien in anderen Bundesstaaten erzielt haben, und vielfach haben sie weiterhin Einnahmen aus Unternehmen in anderen Staaten oder aus Internetfirmen. Ihre Einnahmequellen sind also unabhängig von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich aus den Umweltproblemen in Montana ergeben. Wer beispielsweise in Kalifornien ein winziges Haus für 500 000 Dollar verkauft, kann von diesem Geld in Montana ein Anwesen von zwei Hektar mit großem Haus und Pferden erwerben, angeln gehen und seinen Ruhestand mit Ersparnissen und dem übrig gebliebenen Geld aus dem Hausverkauf in Kalifornien finanzieren. Deshalb kommt fast die Hälfte derer, die in letzter Zeit ins Bitterroot Valley eingewandert sind, aus Kalifornien. Da sie die Grundstücke in dem Tal nicht wegen des Wertes der Kühe und Äpfel erwerben, die man darauf produzieren könnte, sondern wegen der schönen Landschaft, stehen ihre Preisangebote in keinem Verhältnis zu dem Wert, den die Grundstücke bei landwirtschaftlicher Nutzung hätten.
Aber der starke Anstieg der Grundstückspreise führte für die Bewohner des Bitterroot Valley, die ihren Lebensunterhalt durch Arbeit finanzieren müssen, zu Wohnungsknappheit. Viele von ihnen können sich kein Haus mehr leisten und wohnen jetzt in Wohnwagen oder bei den Eltern, und selbst zur Finanzierung dieser spartanischen Lebensweise müssen sie zwei oder drei Jobs nebeneinander ausüben.
Solche krassen wirtschaftlichen Fakten führen natürlich zu Spannungen zwischen den alteingesessenen Bewohnern und denen, die aus anderen Staaten neu zugezogen sind, insbesondere jenen reichen Neuankömmlingen, die in Montana ihren Zweit-, Dritt- oder Viertwohnsitz haben (neben Häusern in San Francisco, Palm Springs und Florida) und jedes Jahr nur kurze Zeit zum Angeln, Jagen, Golfspielen oder Skilaufen kommen. Die Alteingesessenen beschweren sich über die lauten Privatjets, mit denen die reichen Besucher auf dem Flughafen von Hamilton landen, wenn sie von San Francisco einfliegen, ein paar Stunden bei ihrem Viertwohnsitz auf der Stock Farm Golf spielen und noch am gleichen Tag wieder verschwinden. Ebenso haben die Alteingesessenen etwas dagegen, wenn Außenstehende eine größere frühere Farm aufkaufen, die ein Bewohner der Gegend ebenfalls gern erworben hätte, wenn er es sich leisten könnte; auf solchen Anwesen hatten die Nachbarn früher häufig Jagd- oder Fischereirechte, die neuen Eigentümer jedoch wollen dort ausschließlich mit ihren reichen Freunden jagen oder angeln, und die Leute aus der Gegend bleiben außen vor. Aus gegensätzlichen Wertvorstellungen und Erwartungen erwachsen Missverständnisse: Die neu Zugezogenen wünschen sich zum Beispiel, dass die Wapitihirsche aus dem Gebirge in die landwirtschaftlich genutzten Gebiete kommen, weil sie so schön aussehen oder gejagt werden sollen; die Alteingesessenen haben jedoch
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