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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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durch natürliche Klimaveränderungen verschwunden sein, beispielsweise durch Dürre oder El-Nino-Episoden. Es würde mich überhaupt nicht wundern, wenn sich irgendwann herausstellt, dass Klimaveränderungen tatsächlich zu den Vorgängen auf der Osterinsel beigetragen haben: Wie wir später noch genauer erfahren werden, verstärkte ein nachteiliger Klimawandel die Auswirkungen der von Menschen verursachten Umweltschäden auch im Fall der Anasazi (Kapitel 4), der Maya (Kapitel 5), der Wikinger in Grönland (Kapitel 7 und 8) und vermutlich vieler anderer Gesellschaften. Derzeit haben wir aber über Klimaveränderungen auf der Osterinsel in der fraglichen Zeit zwischen 900 und 1700 n. Chr. keine Erkenntnisse: Wir wissen nicht, ob es (wie von den Kritikern postuliert) trockener und windiger wurde, was dem Wald geschadet hätte, oder ob es feuchter und weniger stürmisch war, was den Wäldern zugute gekommen wäre. In meinen Augen sprechen aber überzeugende Indizien dagegen, dass der Klimawandel allein zum Verschwinden der Wälder und zum Aussterben der Vögel geführt hat: Die Abdrücke von Palmenstämmen in den Lavaströmen des Terevaka beweisen, dass die Riesenpalmen bereits seit mehreren hunderttausend Jahren auf der Osterinsel heimisch waren, und Flenley wies in seinen Sedimentanalysen für die Zeit vor 38 000 bis 21 000 Jahren den Pollen von Palmen, Baumastern, Toromiro und einem halben Dutzend weiterer Baumarten nach. Die Pflanzen der Osterinsel hatten also bereits unzählige Dürre- und El-Nino-Episoden überlebt; demnach ist es sehr unwahrscheinlich, dass alle diese einheimischen Baumarten sich zufällig kurz nach der Ansiedlung der unschuldigen Menschen entschlossen, nach einer weiteren Trockenzeit oder El-Nino-Phase tot umzufallen. Flenleys Befunde sprechen sogar für eine kühle, trockene Periode vor 26 000 bis 12 000 Jahren, die mit einer stärkeren Abkühlung verbunden war als jede andere weltweite Klimaveränderung der letzten 1000 Jahre; aber auch sie hatte nur zur Folge, dass die Bäume sich aus den höheren Lagen der Osterinsel in die Niederungen zurückzogen und sich später von dort aus wieder erholten.
    Der dritte Einwand besagt, die Bewohner der Osterinsel seien doch sicher nicht so dumm gewesen, alle Bäume abzuholzen, da die Folgen auf der Hand lagen. Catherine Orliac formulierte es so: »Warum sollte man einen Wald zerstören, den man doch für das eigene [das heißt der Osterinsel-Bewohner] materielle und spirituelle Überleben braucht?« Das ist tatsächlich eine Schlüsselfrage, und sie hat nicht nur Catherine Orliac beschäftigt, sondern auch meine Studenten an der University of California, mich selbst und alle anderen, die sich für selbst verschuldete Umweltschäden interessieren. Ich habe mich oft gefragt: »Was sagte der Bewohner der Osterinsel, der gerade dabei war, die letzte Palme zu fällen?« Schrie er wie moderne Holzfäller: »Wir brauchen keine Bäume, sondern Arbeitsplätze!«? Oder sagte er: »Die Technik wird unsere Probleme schon lösen, keine Angst, wir werden einen Ersatz für das Holz finden«? Oder vielleicht: »Wir haben keinen Beweis, dass es nicht an anderen Stellen auf der Osterinsel noch Palmen gibt, wir brauchen mehr Forschung, der Vorschlag, das Abholzen zu verbieten, ist voreilig und reine Angstmacherei«? Ähnliche Fragen stellen sich in jeder Gesellschaft, die ihre Umwelt unabsichtlich geschädigt hat. Wenn wir in Kapitel 14 auf dieses Thema zurückkommen, werden wir sehen, dass es eine ganze Reihe von Gründen gibt, warum Gesellschaften dennoch solche Fehler begehen.
    Jetzt haben wir uns immer noch nicht mit der Frage auseinander gesetzt, warum die Osterinsel zu einem solchen Extremfall der Waldzerstörung wurde. Schließlich gibt es im Pazifikraum mehrere tausend bewohnte Inseln, und die Bewohner holzten fast überall Bäume, rodeten Anbauflächen, verwendeten Holz als Brennstoff, bauten Kanus und benutzten sowohl Balken als auch Seile zum Bau ihrer Häuser und anderer Dinge. Dennoch reichen unter all diesen Inseln nur drei, die alle zu den Hawaii-Inseln gehören und viel trockener sind als die Osterinsel - die beiden Inselchen Necker und Nihoa sowie das größere Eiland Niihau - an die Osterinsel heran, was das Ausmaß des Waldverlustes angeht. Auf Nihoa gibt es noch eine Art großer Palmen, und ob auf Necker, einem winzigen Flecken von rund 16 Hektar, überhaupt jemals Bäume wuchsen, ist nicht gesichert. Waren die Bewohner der Osterinsel also nahezu die

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