Kollaps
Einzigen, die noch den letzten Baum zerstörten? Als Begründung hört man manchmal, die Palmen und Toromiro-Bäume auf der Osterinsel seien besonders langsam wachsende Arten gewesen, aber damit ist nicht erklärt, warum mindestens 19 andere Pflanzenarten (darunter auch Bäume), die diesen genau gleichen oder sehr eng mit ihnen verwandt sind, noch heute auf vielen Inseln Ostpolynesiens gedeihen, während sie auf der Osterinsel ausgerottet wurden. Nach meiner Vermutung ist diese Frage der Grund, warum die Bewohner der Osterinsel selbst und auch manche Wissenschaftler nicht zugeben wollen, dass die Waldzerstörung von den Einwohnern selbst ausging: Aus der Beantwortung scheint sich der Schluss zu ergeben, dass sie unter allen Pazifikvölkern besonders unklug oder gedankenlos waren.
Barry Rolett und mich stellte diese offenkundige Einzigartigkeit der Osterinsel vor ein Rätsel. Letztlich ist es nur ein Teil einer umfassenderen, schwierigen Frage: Warum hat die Waldzerstörung auf den Pazifikinseln ganz allgemein so unterschiedliche Ausmaße? So sind beispielsweise Mangareva (von dem im nächsten Kapitel die Rede sein wird), große Teile der Cook- und Tubuai-Inseln sowie die Windschattenseite der Hauptinseln von Hawaii und Fiji weitgehend entwaldet, allerdings nicht so vollständig wie die Osterinsel. Dagegen beherbergen die Gesellschaftsund Marquesas-Inseln sowie die Luvseiten der großen Hawaii- und Fiji-Inseln in höheren Lagen Primärwälder und in den Niederungen eine Mischung aus Sekundärwald, Farnwäldern und Graslandschaften. Tonga, Samoa, der größte Teil des Bismarck-Archipels und der Salomonen sowie Makatea (die größte Insel der Tuamotu-Gruppe) sind bis heute größtenteils bewaldet. Wie lassen sich diese Unterschiede erklären?
Barry durchforstete die Tagebücher der ersten europäischen Entdecker, die den Pazifikraum bereisten, und suchte nach Beschreibungen über das damalige Aussehen der Inseln. Für 81 Inseln konnte er auf diese Weise feststellen, wie weit die Entwaldung fortgeschritten war, als Europäer sie zum ersten Mal zu Gesicht bekamen - das heißt, nachdem die Einheimischen ihnen bereits seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden ihren Stempel aufgedrückt hatten. Dann stellten wir für die gleichen 81 Inseln eine Tabelle mit neun physikalischen Faktoren zusammen, die sich von Insel zu Insel unterscheiden und nach unserer Vermutung eine Erklärung für das jeweilige Ausmaß der Waldzerstörung liefern könnten. Einige Gesetzmäßigkeiten stachen dabei schon auf den ersten Blick ins Auge, aber um sie quantitativ zu erfassen, unterwarfen wir die Daten einer Vielzahl statistischer Analysen.
Welche Faktoren bestimmen auf Pazifikinseln die Waldzerstörung?
Die Waldzerstörung ist - auf trockenen Inseln stärker als auf feuchten auf kühlen Inseln in hohen Breiten stärker als auf warmen Inseln in Äquatornähe; auf alten Vulkaninseln stärker als auf jungen Vulkaninseln; auf Inseln, auf denen es keine Ascheregen gab, stärker als auf solchen, wo er stattgefunden hat; auf Inseln weit weg vom zentralasiatischen Staubkegel stärker als auf Inseln in seiner Nähe; auf Inseln ohne makatea stärker als auf solchen mit makatea ; auf flachen Inseln stärker als auf solchen mit größeren Erhebungen; auf abgelegenen Inseln stärker als auf solchen mit Nachbarn in der Nähe; und - auf kleineren Inseln stärker als auf großen.
Wie sich herausstellte, tragen alle neun physikalischen Variablen zum Ergebnis bei (siehe Tabelle). Am wichtigsten waren dabei die Unterschiede von Niederschlagsmenge und geographischer Breite: trockene Inseln und solche, die weiter vom Äquator entfernt liegen und deshalb kühler sind, hatten am Ende weniger Wald als solche in Äquatornähe mit feuchtem Klima. Nichts anderes hatten wir erwartet: Pflanzenwachstum und die Verbreitung von Jungpflanzen verstärken sich mit Niederschlagsmenge und Temperatur. Wenn man in den Niederungen Neuguineas oder einer anderen feuchten, warmen Gegend die Bäume abholzt, stehen ein Jahr später an der gleichen Stelle bereits junge Bäume von sechs Metern Höhe, in einer kalten, trockenen Wüste dagegen wachsen sie wesentlich langsamer. Deshalb hält das Neuwachstum auf feuchten, warmen Inseln mit einer mäßig starken Abholzung Schritt, sodass der Zustand der Bewaldung auf der Insel erhalten bleibt.
Das drei andere Variablen - Alter der Insel, Ascheregen und Staub - sich auswirken würden, hatten wir nicht erwartet, aber das lag daran, dass wir
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