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Kolonien der Liebe

Kolonien der Liebe

Titel: Kolonien der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Wein, denn es war das Jahr des großen Weinskandals, und im Produktionsbüro hing eine täglich länger werdende Liste mit den Namen der mit Methanol versetzten Weine, die man auf keinen Fall mehr trinken durfte.
    Es regnete immer heftiger, und der Himmel war jetzt tief-dunkelgrau mit einem bösen Violett. Einer der Mitarbeiter des Szenenbildners, der nicht mit zum Jungfrauenjagen gefahren war, kam an den Tisch und fragte den Regisseur, ob man morgen bei dem Dreh an der Brücke «verbrannte Erde» machen dürfe.
    Verbrannte Erde hieß soviel wie die Gegend nachhaltig versauen.
    Manchmal räumten wir hinterher auf, manchmal machten wir verbrannte Erde und ließen tiefe Reifenspuren in den Wiesen zurück oder bauten eine Scheune, die einer unserer Lastwagen zusammengefahren hatte, einfach nicht mehr auf. Ich dachte dann an «Apocalypse Now», und daran, wie wenig die Kunst noch Kunst ist, wenn man nah dran ist.
    Der Regisseur sagte, daß ab sofort überhaupt nicht mehr verbrannte Erde gemacht würde. Er habe hier Freunde gewonnen und wolle noch mal an den Ort zurückkommen und mit erhobenem Kopf durchs Dorf gehen können.
    Alessandro Marinelli kam rein auf einen Espresso und einen Sambuca. Er setzte sich zu uns an den Tisch und erzählte, daß immer noch Dorfleute zu ihm kämen und darum bitten würden, auch in dem Film mitspielen zu dürfen. Was machst du dann?
    fragte ich ihn. Er grinste mit seinem zahnlosen Mund. Wenn es Männer sind, sagte er, schick ich sie weg. Wenn es Frauen sind, messe ich die Oberweite und sage dann: das ist für diesen Film zuwenig, komm nächstes Jahr wieder, da drehen wir in Spanien, dann können wir dich brauchen! Wir lachten, und ich bestellte mir noch einen Apfelkuchen. Als die kartenspielenden Italiener am Nebentisch das sahen, bekamen sie auch Appetit und orderten gleich die ganze Apfeltorte. Der Produktionsleiter, der hinten in einer Ecke über Zahlenkolonnen brütete und das Drehverhältnis ausrechnete, rief mir zu: Sag ihnen, sie sollen nicht soviel fressen, sonst werden sie zu fett und die Anschlüsse stimmen nicht mehr!
    Der Produktionsleiter sprach kein Italienisch, obwohl er versprochen hatte, es vor Drehbeginn zu lernen. Er war auch tatsächlich zu einem Sprachinstitut gegangen, hatte 500 Mark Vorkasse bezahlt und dafür vom Kursleiter zwei Kassetten bekommen, die sollte er sich zu Hause in Ruhe anhören, und dann würde das schon klappen. Nichts klappte, und ich mußte dauernd für ihn übersetzen, Regine, sag ihm, er muß sich den Bart färben lassen, auf dem Photo von der Agentur war der Bart schwarz, jetzt ist er grau, das sieht zu alt aus, Regine, was heißt leck mich am Arsch? Regine, bestell mir mal ein Omelett mit Pilzen, aber frische Pilze, nicht aus der Dose. Regine hier, Regine da, ich wurde den ganzen Tag rumgescheucht und wäre dabei so gern mal mit dem Regisseur allein gewesen, aber dazu hätte ich ein richtiges Problem haben müssen. Für Probleme hatte er immer Zeit, ich war einfach zu patent und fiel nicht unter seine besondere Aufmer-samkeit.
    Alessandro Marinelli hatte den Corriere della Provincia mitgebracht, in dem eine Geschichte über unsere Dreharbeiten stand. Ausgerechnet über die Sache mit dem Schnee hatten sie geschrieben, eine Geschichte, die mehr mit ihrer absurden Provinz als mit unseren absurden Dreharbeiten zu tun hatte. Es gab in dieser ungewöhnlich kalten Jahreszeit auf höherliegenden Hängen und Hausdächern immer noch Reste von Schnee, die man bei den Totalen leuchten sah. Daher mußte in den ersten Tagen der Dreharbeiten die örtliche Feuerwehr anrücken und die Dächer freispritzen. Mit einem 150 Meter langen Schlauch waren sie angefahren gekommen, hatten bombastisch aufgedreht, und heraus kam nichts als ein kleines Rinnsal, weil der Druck nicht stimmte. Auf dem Dorfplatz gibt es zwar zu diesem Zweck einen Hydranten, nur war das ein Schweizer Modell, und der Schlüssel dazu stammte aus Italien und paßte nicht. Natürlich, sagten die Kenner, italienische Stecker passen ja auch nicht in Schweizer Steckdosen, viva Europa! Der Mann, der den richtigen Schlüssel verwaltete, war zum Einkaufen gefahren, und es dauerte anderthalb Stunden, bis wir ihn aufgestöbert und hergekarrt hatten.
    Der Bürgermeister des Ortes tobte: Und wenn es nun gebrannt hätte, Gusto? Reg dich nicht auf, Nino, sagte Gusto, es hat ja nicht gebrannt, es war ja nur Schnee, und auch nur für den Film! Das alles stand im Corriere della Provincia, und ein Photo war auch

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