Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Gesundheitsministerium von Virginia. Die Larven «entwickeln sich in einer solchen Umgebung prächtig». Dabei gedeihen sie im offenen Land besser als in schattigen Wäldern. Nach dem Friedensschluss durch Pocahontas’ Ehe im Jahr 1614 rodeten die Kolonisten Land für den Tabakanbau – und schufen, wie Gaines mir erläuterte, «eine larvenfreundliche Umwelt, weil dadurch die kleinen offenen Wasserflächen entstanden, die diese Geschöpfe bevorzugen». [210] Damit übermittelten die
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«der Malaria eine regelrechte Einladung», sagte er. «Und nach meiner Erfahrung nimmt die Malaria eine solche sofort an.» [211] Wenn
Plasmodium
mit den ersten Kolonisten nach Amerika gekommen war, könnte es, neben der Salzvergiftung, erklären, warum so viele Neuankömmlinge als matt und apathisch beschrieben wurden; sie hatten Malaria. [13]
Wann genau die Malaria herüberkam, wird immer Spekulation bleiben. Klar ist aber, dass sie in Virginia rasch heimisch wurde. Sie erwies sich dort als ebenso unentrinnbar wie in den sumpfigen Marschen Englands – eine ständige, kräftezehrende Begleiterscheinung des Lebens.
Als die Londoner Investoren Menschen nach Virginia verschifften, erhob Gouverneur George Yeardly 1620 warnend seine Stimme: «Sie müssen sich darauf einstellen, dass neue Männer im ersten Jahr während des
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nur von geringem Nutzen sind» –
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nannte man den Zeitraum, den man den Neuankömmlingen zur Bekämpfung der Krankheit zubilligte. Dass frisch eingewanderte Kolonisten längere Zeit außer Gefecht gesetzt waren, galt als üblich. Hugh Jones, Pfarrer in Jamestown, verfasste 1724 eine Broschüre, in der er dem britischen Publikum Virginia beschrieb. Fälschlicherweise machte er das Klima der Kolonie für Schüttelfrost und Fieber verantwortlich, «ein schwerer Anfall (
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genannt) erwartet die meisten einige Zeit nach ihrer Ankunft in diesem Klima». Mit dem
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begann häufig der Weg zum Friedhof; in den ersten fünfzig Jahren nach Gründung von Jamestown starb ein Drittel der Neuankömmlinge binnen eines Jahres. Danach lernten die Virginier durch Trial and Error mit
P. vivax
zu leben, indem sie das Marschland mieden und bei Einbruch der Dämmerung zu Hause blieben; wer immun geworden war, pflegte die Kranken, bei denen es sich, wie heute in Afrika, überwiegend um Kinder handelte. Um 1670 fiel der Anteil der
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-Opfer von zwanzig oder dreißig Prozent auf zehn Prozent oder weniger – eine beträchtliche Verbesserung, aber immer noch ein Niveau, das viel Leid bedeutete. [212]
Landon Carter hatte eine stattliche Plantage in Virginia, ungefähr hundert Kilometer nördlich von Jamestown. Als in Sommer und Herbst 1757 Mitglieder seiner Familie wiederholt an Malaria erkrankten, nahm das den liebevollen Familienvater sehr mit. Besonders schwer war Sukey betroffen, eine Tochter im Kleinkindalter, die unter Schüttelfrost und Fieber im klassischen Tertianrhythmus litt. Wie Samuel Jeake hielt auch Carter ihren verzweifelten Kampf in einem Tagebuch fest:
« 7 . Dez.: Sukey sah heute Abend schlecht aus, mit einem raschen Puls.
8 . Dez.: Es ist ihre übliche Anfallsperiode, die jetzt alle zwei Wochen auftritt … Erscheint frisch und spricht fröhlich. Ihr Fieber nicht höher.
9 . Dez.: Befinden besser, wenn auch sehr blass.
10 . Dez.: Sukey bekam früh Fieber und litt sehr unter Magenbeschwerden und Kopfweh. In der Nacht ging das Fieber herunter.
11 . Dez.: Das Kind heute fieberfrei, mir schien ihr Puls aber etwas rasch in der Nacht.
12 . Dez.: Sukeys Fieber um ein Uhr nachts gestiegen … Das Kind um 12 besorgniserregend krank, totenblass und blau …
13 . Dez.: Sukeys Fieber ging gestern stetig zurück bis ein Uhr in der Nacht, als sie ziemlich klar war.»
Um in Virginia zu leben, schrieb ein tieftrauriger Carter an diesem Tag, «muss man an Kummer gewöhnt sein und sich darauf einrichten, ein ganzes Jahr zu Hause zu bleiben und seine Kinder zu pflegen. Meine sind jetzt nie mehr wohlauf.»
Sukey starb im folgenden April, kurz vor ihrem dritten Geburtstag. [213]
Kehrtwende
Die Wirkung der Malaria beschränkte sich nicht auf das unmittelbare Leiden ihrer Opfer. Sie war auch eine historische Kraft, die Kulturen entstellte – ein starker Antrieb, der Gesellschaften veranlasste, Fragen in einer Weise zu beantworten, die uns heute als grausam und verwerflich erscheint. Nehmen wir den englischen Unternehmer des 17 . Jahrhunderts, der in Nordamerika
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