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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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Regel passieren, denn die Schiffe warteten Wochen oder Monate in Sheerness, einer Hafenstadt an der Themsemündung in Kent, die ein Malariazentrum war. Andere Schiffe lagen in dem fast genauso verseuchten Blackwall vor Anker, östlich von London an demselben Fluss. [205]
    Menschen mit akuten Malariaanfällen werden kaum eine strapaziöse Seereise angetreten haben. Aber
Plasmodium vivax
kann sich – wir erinnern uns – auch im scheinbar gesunden Organismus verbergen. Möglicherweise begaben sich die Kolonisten ohne Symptome an Bord eines Schiffes und gingen im Tabakland an der Chesapeake Bay an Land, um dann von mörderischem Schüttelfrost und schweißtreibenden Fieberanfällen gepackt zu werden. Woraufhin sie den Parasiten unwissentlich auf jeden Moskito übertragen konnten, der sie stach. [206]
    «Theoretisch hätte eine einzige Person genügt, um den Parasiten auf dem ganzen Kontinent heimisch zu machen», sagte Andrew Spielman, ein Malariaforscher an der Harvard School of Public Health. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit waren viele der
tassantassas
in Jamestown infektiös. Irgendwann wurde einer dieser Kolonisten von
Anopheles quadrimaculatus
gestochen, einer Stechmücke aus jener Gruppe von fünf eng verwandten Arten, die der wichtigste Malaria-Vektor der Ostküste ist. [207] «Es ist ein bisschen wie beim Dart», meinte Spielman kurz vor seinem Tod im Jahr 2006 zu mir. «Wenn man unter geeigneten Bedingungen genügend kranke Leute mit genügend Moskitos zusammenbringt, trifft man über kurz oder lang das Bull’s Eye – man sorgt für die Verbreitung von Malaria.» [208]
    1657 vermerkte John Winthrop, der Gouverneur der Kolonie Connecticut, in seinem medizinischen Tagebuch Fälle von Tertianfieber. Ein Mitglied der Royal Society, war er einer der sorgfältigsten wissenschaftlichen Beobachter in Neuengland. «Wenn er schrieb, er habe Tertianfieber gesehen, dann war es wahrscheinlich auch Tertianfieber», meinte Robert C. Anderson, der Genealoge, der Winthrops medizinisches Tagebuch kopiert. Mehr noch, wie Anderson mir berichtete, lässt das Auftreten von Malaria in den 1650 er Jahren darauf schließen, dass sie vor 1640 eingeführt worden sein muss – denn danach verhinderten die politischen Erschütterungen in England jahrzehntelang die Emigration nach Neuengland. «Es gab nur wenige Kolonisten, die es herübergebracht haben konnten», sagte Anderson. Ich fragte Spielman, ob sich irgendwelche Schlüsse über Virginia ziehen ließen, wenn
Plasmodium vivax
beispielsweise 1635 nach Connecticut gelangt sei? «Neuengland ist kalt», sagte er. «Man kann schwerlich davon ausgehen, dass die Malaria dort früher als in Virginia heimisch geworden ist.» [209] Könnte der Parasit sich in der Chesapeake Bay schon vor den 1620 ern ausgebreitet haben? «Bedenkt man, dass Hunderte oder Tausende von Menschen aus Malariazonen dorthin gekommen sind, könnte ich mir das durchaus vorstellen», meinte er. «Sobald die Malaria eine Chance hat, irgendwo einzudringen, ist das in der Regel schnell geschehen.»
    Es ist schwierig, die frühen Wege der Malariaparasiten zu rekonstruieren, denn sie wurden erst 1880 nachgewiesen, daher sind alle früheren Daten indirekt. Die Kombination von Gesundheitsdaten, Schätzungen zur Ausdehnung der Feuchtgebiete und Malaria-Erhebungen des britischen Militärs Anfang des 20 . Jahrhunderts lässt erkennen, dass der Südosten Englands von Malaria durchseucht gewesen sein muss. Von den neunundfünfzig Geburtsorten der ersten Jamestown-Kolonisten, die von Preservation Virginia, einer Organisation zur Bewahrung historischer Zeugnisse, zurückverfolgt wurden, lagen fünfunddreißig in Regionen, die das Militär als «extrem» oder «stärker
Plasmodium
-zuträglich» klassifizierte. Außerdem passierten alle Kolonisten unterwegs London und das malariaträchtige Mündungsdelta der Themse. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dürften einige Kolonisten die Krankheit in die Chesapeake Bay gebracht haben.
    Die Malaria könnte tatsächlich schon vor 1620 eingeschleppt worden sein. Zwischen 1606 und 1612 waren die Bedingungen für die Ausbreitung der Krankheit perfekt, denn im Marschland Virginias herrschte während dieser Jahre Trockenheit; im vorhergehenden Kapitel war schon die Rede davon.
    A. quadrimaculatus
ist glücklich, wenn Feuchtgebiete austrocknen. «In Trockenjahren verwandeln sich kleine Nebenflüsse in viele kleine Teiche», erklärte David Gaines, Entomologe am

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