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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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und Schrecken: In dem Wald wimmle es, so ein Chronist, von «Löwen, Tigern, Bären und Jaguaren». Kreischende Affen bewarfen die Menschen aus den Bäumen mit Steinen. Lanzenschlangen und Buschmeister, die zu den giftigsten Schlangen der Erde gehören, wurden in den Nächten aktiv. Gegen die Mücken konnten sich die Reisenden zwar von Kopf bis Fuß mit Öl und Schlamm einreiben, aber den Fledermäusen waren sie hilflos ausgeliefert: «Sie beißen so zart in die Zehenspitzen [der Schläfer], die Hände, die Nasenspitze und die Ohren», jammerte ein Italiener, «dass man es nie merkt, und dann kauen sie auf diesem Maulvoll Fleisch und saugen das Blut, das aus der Wunde dringt.» Man könne nichts gegen sie tun, schrieb er, weil die Hitze einen zwinge, «nackt auf den Bettdecken zu schlafen». Selbst in der Trockenzeit war es ein schweißtreibendes Unterfangen für die Männer in ihren Rüstungen – eine notwendige Vorsichtsmaßnahme gegen indianische Angriffe. Während der Regenzeit war die Straße absolut unpassierbar; dann mussten Reisende in Kähnen durch den Rio Chagres staken, der, wenn er von den Niederschlägen anschwoll, zwar schiffbar, aber auch entsprechend gefährlich war. Die Europäer des 16 . und 17 . Jahrhunderts verfügten einfach nicht über die Mittel und technischen Voraussetzungen, um unter diesen Bedingungen einen zuverlässigen und sicheren Verkehrsweg zu bauen. Er blieb «eine außerordentlich schlechte Straße, die schlechteste, die ich auf meinen Reisen sah», schrieb ein verärgerter Reisender im Jahr 1640 , hundertzwanzig Jahre nachdem sie gebaut worden war. [678]
    Um das Silber des Königs über den Isthmus zu befördern, waren viele Hände erforderlich. Wie immer herrschte Mangel an Arbeitskräften. Nur wenige Spanier waren bereit, ihre Heimat zu verlassen, um sich in fernen Wäldern abzumühen. Es gab eine naheliegende Lösung für die Silbertransporteure: indianische Sklaven. Als Núñez de Balboa den Pazifik sah, befanden sich auf dem Isthmus an die hundert kleine, politisch zerstrittene Gemeinwesen, die so dicht beieinander lagen, dass der Historiker Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés im 16 . Jahrhundert behauptete, die indigene Bevölkerung übertreffe zwei Millionen, wenn sie nicht sogar «zahllos war». Neuere Schätzungen sind bescheidener: Da die meisten Domänen nicht mehr als dreitausend Bewohner hatten, dürften es nach Einschätzung der Forscher bestenfalls eine Viertelmillion gewesen sein. Doch die genaue Zahl spielt keine Rolle, weil sich der Isthmus rasch entvölkerte. Zu der Zeit, als man in Potosí Silber zu exportieren begann, dürften dort keine 20 000  Menschen mehr gelebt haben. [679] Selbst wenn die verbliebenen Indianer sich hätten fangen lassen, wären nicht genug Arbeitskräfte vorhanden gewesen, um den Bedarf der Europäer zu decken. Infolgedessen importierte das Reich Sklaven aus den Anden, aus Venezuela und Nicaragua – so viele, dass sie in den spanischen Gebieten rasch zahlreicher wurden als die lokale indigene Bevölkerung. [680]
    Nachdem Spanien die indianische Sklaverei verboten hatte, richteten die Kolonisten ihre Aufmerksamkeit auf Afrika. Den Anfang machte Núñez de Balboa, der vor seinem Tod dreißig afrikanische Gefangene an die Pazifikküste brachte, wo sie im Schiffbau beschäftigt wurden. Schon bald stakten die Afrikaner Kähne auf dem Rio Chagres, achtzehn bis zwanzig Männer auf jedem, zwanzig oder mehr Boote im Konvoi. Maultierkolonnen – viele Tiere, die in einer langen Reihe zusammengebunden waren – überquerten die Landenge zwischen den Ozeanen, angetrieben von Dutzenden peitschenschwingenden Afrikanern, die ihrerseits von waffenschwingenden Spaniern angetrieben wurden. Manchmal dauerte der Marsch einen Monat lang. Der Weg sei, so der Fledermäuse verabscheuende Italiener, mit den Kadavern von Maultieren und Männern gesäumt gewesen.
    Die Afrikaner übertrafen die Europäer 1565 zahlenmäßig im Verhältnis sieben zu eins. [681] Da kann nicht überraschen, dass die Europäer Schwierigkeiten bekamen, ihren Besitz zusammenzuhalten. Entlaufene Sklaven taten sich zu Hunderten in multiethnischen Dörfern zusammen und bekamen weiteren Zulauf von entflohenen indianischen Sklaven aus den Anden und Venezuela und von den letzten Überlebenden freier indigener Gemeinschaften auf dem Isthmus. Geeint durch ihren Hass auf die Spanier, befreiten sie Sklaven, töteten Kolonisten, stahlen Maultiere und Rinder. Manchmal entführten sie auch

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