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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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Die erschöpften Männer erreichten diese Hänge am 24 . September, nachdem sie fünfundsechzig Kilometer in drei Wochen zurückgelegt hatten.
    In der Nähe des Gipfels trafen sie auf Quarequa, den Herrscher einer kleinen Domäne gleichen Namens. An der Spitze von etlichen hundert Männern mit Bogen und Speeren weigerte er sich, die Fremden ins Land zu lassen. Die Indios, die noch nie Feuerwaffen und Schwerter gesehen hatten, stellten sich den Spaniern dicht an dicht entgegen. Ohne Vorwarnung ließ Núñez de Balboa seine Männer aus kürzester Entfernung feuern. Im Pulverdampf stürmten die Spanier mit gezogenen Schwertern vorwärts. Hunderte von Indios starben, unter ihnen Quarequa; die Leichen stapelten sich. Die Spanier jagten die Überlebenden in ihr Hauptdorf, wo sie feststellen mussten, dass alles Gold und alle Vorräte fort waren. Am folgenden Tag, dem 25 . September, erklommen Núñez de Balboa und seine zerlumpten Gesellen den Gipfel und sahen die ungeheure Weite des Pazifiks vor sich. [673] Mit einer Geste, die heute rührend absurd wirkt, erklärte er den Ozean und alle angrenzenden Gebiete zu spanischem Besitz. [45]   [674]
    In Quarequas Dorf waren neben Frauen und Kindern auch einige schwarze Sklaven zurückgeblieben – «schwarze Männer mit starken Leibern, dicken Bäuchen, langen Bärten und gekräuseltem Haar», wie es in einem anderthalb Jahre später entstandenen Bericht hieß. Die Spanier waren erstaunt, sie zu sehen, und noch erstaunter, als sie hörten, dass es eine ganze Gemeinschaft entflohener afrikanischer Sklaven nur zwei Tagesmärsche entfernt gab. Seit Jahre bekämpften sich die indigenen Einwohner und die Afrikaner, wobei jede Seite die Gefangenen der anderen in die Sklaverei zwang.
    Es ist wohl davon auszugehen, dass die Spanier sich nicht irrten, als sie die Sklaven als Afrikaner bezeichneten, schließlich gehörten mindestens zwei Afrikaner zu ihrer Truppe. Auch die Geschichte selbst scheint glaubhaft zu sein; ein halbes Dutzend spanische Quellen bestätigt sie. Allerdings zog keine die naheliegenden Schlussfolgerungen. Erstens bedeutet die Existenz von Sklaven in den Bergen, dass Afrikaner und nicht Europäer die ersten Menschen von jenseits des Atlantiks waren, die sich auf dem Festland niederließen – und den Pazifik von der amerikanischen Seite aus erblickten. Zweitens folgte daraus, dass der Isthmus für entflohene Sklaven ein sehr geeigneter Ort war, um sich der Gefangennahme zu entziehen. Dieser Umstand sollte die spanische Krone noch beschäftigen. [675]
    Die Entdeckung eines Weges zum Pazifik elektrisierte die Spanier in Antigua. Bald darauf gaben sie die Kolonie auf, die zur Geisterstadt wurde. [46]   [676] Die meisten ihrer ehemaligen Bewohner gründeten zwei neue Siedlungen: Panamá, an der Pazifikküste des Isthmus, und Nombre de Dios, am Atlantik. Man hatte vor, die Gewürze der Molukkeninseln, die Spanien in Besitz nehmen wollte, nach Amerika zu bringen, sie auf einer neuen Straße zwischen den beiden Ortschaften zu transportieren und dann auf Schiffe nach Europa zu verladen. Als es Spanien nicht gelang, die Molukken in seine Gewalt zu bringen, schrumpften die beiden geplanten Hafenstädte.
    1533 zählten weder Panamá noch Nombre de Dios mehr als vierzig europäische Bewohner, als die unerwartete Nachricht eintraf, dass Francisco Pizarro, einer von Núñez de Balboas Begleitern auf seiner Überquerung des Isthmus, ein großes Indianerreich in den Anden erobert habe und Gold und Silber nach Panamá sende. Núñez de Balboa hatte nicht teilgenommen an der Unterwerfung der Inka. Seine skrupellosen Machenschaften waren ihm schließlich zum Verhängnis geworden: 1519 hatte man ihn hingerichtet. [677] Zwölf Jahre später, im Jahr 1545 , wurde in Potosí das Silber entdeckt. Die Hälfte oder mehr der geförderten Menge – einschließlich der Steuern und Gebühren, die die Krone auf Minen und Münzstätten erhob – wurde über Panamá verschifft.
    So wurde die Straße zwischen Panamá und Nombre de Dios für das spanische Weltreich zum entscheidenden Engpass – eine einzige Ader, durch die das Königshaus große Teile seines finanziellen Lebensblutes schickte. Technisch betrachtet, war sie kein idealer Transportweg. Mit knietiefem Schlamm und Schutt bedeckt und kaum breit genug für die Begegnung zweier Maulesel, stieg und fiel die Straße wie eine Achterbahn im ständigen Wechsel zwischen Bergspitzen und Sumpfniederungen. Sie versetzte die Spanier in Angst

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