Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Gründen, die noch relativ unbekannt sind, wirkt sich diese zelluläre Invasion kaum auf Kinder aus. Erwachsene erleiden starke innere Blutungen. Das Blut sammelt sich und gerinnt im Magen. Wenn Erkrankte es schwärzlich erbrechen, weiß man, dass sie an Gelbfieber leiden. Ein anderes Symptom ist Gelbsucht, daher die volkstümliche Bezeichnung «Yellow Jack» – wegen der Flagge, die Schiffe in Quarantäne hissen mussten. Das Virus tötet ungefähr die Hälfte seiner Opfer – dreiundvierzig bis neunundfünfzig Prozent in sechs sorgfältig dokumentierten Beispielen, über die McNeill in seinem Buch
Mosquito Empires
berichtet. Die Überlebenden erwerben Immunität bis an ihr Lebensende. In Afrika war Gelbfieber eine relativ harmlose Kinderkrankheit, in der Karibik eine schreckliche Seuche, die die Afrikaner verschonte, aber unter den Europäern, Indianern und den auf der Insel geborenen Sklaven verheerend wütete.
Die erste Gelbfieberepidemie begann 1647 und dauerte fünf Jahre. Der Schrecken sprach sich bis Massachusetts herum, wo zum ersten Mal eine Quarantäne über einlaufende Schiffe verhängt wurde. Barbados wies mehr Afrikaner und mehr Europäer pro Quadratkilometer auf als jede andere Karibikinsel und damit auch mehr potenzielle Gelbfieberträger und potenzielle Gelbfieberopfer. Es überrascht nicht, dass die Epidemie dort zuerst ausbrach. Als sie begann, landete ein gewisser Richard Ligon auf Barbados. «Wir sahen zweiundzwanzig gute Schiffe vor Anker liegen», schrieb er später, «während Segel- und Ruderboote hin und her fuhren, die Waren hierhin und dorthin schafften: so rührig und zahlreich, wie ich es unter den Brücken von London sah. Doch trotz dieses lebhaften Anscheins von Handel und Wandel waren die Bewohner der Insel und auch die Seeleute so übel von der Pest (oder einer ebenso mörderischen Krankheit) befallen, dass noch vor Ablauf eines Monats die Lebenden kaum noch in der Lage waren, die Toten zu begraben.»
Nach einer zeitgenössischen Schätzung starben in diesen fünf Jahren allein auf Barbados 6000 Menschen. Fast alle Opfer waren Europäer – eine bittere Lektion für die Kolonisten der Insel. McNeill schätzt, dass die Epidemie «wohl zwanzig bis fünfzig Prozent der einheimischen Bevölkerung» auf einem Küstenstreifen von Mittelamerika bis Florida tötete. [254]
Allerdings konnte die Epidemie der Zuckerindustrie nichts anhaben – die war zu einträglich. Unglaublich, aber Barbados, eine Insel von 430 Quadratkilometern, befand sich auf dem besten Wege, mehr Geld abzuwerfen als der ganze Rest Angloamerikas. Inzwischen war der Zuckeranbau auf die nahe gelegenen Inseln Nevis, St. Kitts, Antigua, Montserrat, Martinique, Grenada und andere Orte expandiert. Auf Kuba hatte man schon Jahrzehnte zuvor mit dem Anbau begonnen, aber die Produktion war klein; die Spanier waren zu sehr mit dem Silber beschäftigt, um dem Zucker viel Beachtung zu schenken. Eine bunt gemischte Schar von Engländern, Franzosen, Niederländern, Spaniern und Portugiesen rodete die Inseln so rasch wie möglich; im Tiefland bauten sie Zuckerrohr an und auf den Hängen fällten sie die Bäume, um Brennstoff zu haben. Entwaldung und Erosion waren das fast unausweichliche Resultat; der Niederschlag, der nicht mehr von der Vegetation aufgenommen wurde, spülte den Boden die Hänge hinunter, woraufhin sich an der Küste Sümpfe bildeten. Schon relativ bald ließ man Arbeiter die Erde in Körben wieder die Hügel hinaufschleppen – «eine echte Sisyphusarbeit», so McNeill in
Mosquito Empires
. Er zitiert einen karibischen Naturforscher, der darüber staunte, «mit welcher Unbesonnenheit, ja, Dummheit die westindischen Pflanzer viele nützliche Bäume fällten, die ursprünglich auf diesen Inseln wuchsen». 1791 befand der Forscher, viele Inseln seien inzwischen «fast unbrauchbar für den Ackerbau». [255]
Selbst der schlimmste ökologische Raubbau kommt einigen Arten zugute. Zu den Gewinnern in der Karibik gehörte
Anopheles albimanus,
der wichtigste Malaria-Vektor der Region.
A. albimanus
, auf den größeren Karibikinseln und in Mittelamerika heimisch, ist ein widerstrebender Malariawirt, von
P. falciparum
kaum zu infizieren und auch für
P. vivax
nur mühsam zugänglich, denn viele Moskitos haben Bakterien in ihrem Darm, die den Parasiten hemmen.
A. albimanus’
Entwicklung förderlich sind küstennahe, algenbedeckte Sümpfe unter freiem Himmel. Daher kommen ihm Erosion und Entwaldung sehr entgegen.
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