Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
darlingi
die wichtigsten sind. Mit der Ausdehnung ihres Lebensraums und regionalen Durchschnittstemperaturen lässt sich weitgehend erklären, warum die Geschichte bestimmter Gegenden Amerikas von Malaria geprägt war – und anderer nicht.
Ein weiterer Punkt hingegen lässt sich empirisch belegen: Das ständige Krankheitsrisiko bedeutete, dass man sich auf seine Arbeitskräfte nicht verlassen konnte. Diese Unsicherheit traf vor allem Kleinbauern, die durch den Verlust weniger Leute unverhältnismäßig stärker beeinträchtigt wurden. Daher, so die Rutmans, «schützte eine hohe Zahl von Arbeitskräften vor der Katastrophe». Besitzer großer Plantagen hatten mehr Kosten, waren aber besser abgesichert. Im Laufe der Zeit erzielten sie Vorteile; kleinere Betriebe hatten zu kämpfen. Diese Kluft wurde noch dadurch vertieft, dass die wohlhabenden Pflanzer Carolinas in der Lage waren, die Krankheitssaison in Erholungsorten der fieberfreien Gebirgs- und Küstenregionen zu verbringen. Arme Farmer und Sklaven mussten in der
Plasmodium
-Zone ausharren. Dadurch öffnete sich die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter. Malariagebiete zeigen laut den Rutmans eine ausgeprägte Tendenz zu «starker wirtschaftlicher Polarisierung».
Plasmodium
war für die Farmer nicht nur ein Grund, sich für die Sklaverei zu entscheiden, es erforderte auch große Pflanzungen und erhöhte damit den Bedarf an Sklaven.
Die Malaria war nicht der Grund für die Sklaverei, sondern nur ein gewichtiges Argument für sie, das Adam Smith’ Einwände gegen sie aufhob. Die Tabakpflanzer setzten sich nicht aufgrund der Beobachtung, dass Schotten und Indianer an Tertianfieber starben, zusammen und fassten den Plan, von der afrikanischen Widerstandskraft gegen die Krankheit zu profitieren. Es gibt nämlich kaum Belege dafür, dass sich die ersten Sklavenbesitzer über die Immunität der allermeisten Afrikaner im Klaren waren, einerseits, weil sie nicht wussten, was es mit der Malaria auf sich hatte, und andererseits, weil die Leute auf ihren isolierten Plantagen keine umfassenden Vergleiche anstellen konnten. Doch egal, ob sie es wussten oder nicht, Pflanzer mit afrikanischen Sklaven hatten in der Regel einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber jenen mit Vertragsdienern. Wenn in Carolina zwei Reispflanzer je zehn Arbeiter bekamen und der eine nach einem Jahr neun hatte, der andere dagegen nur noch fünf, waren die Erfolgsaussichten des ersten besser. Erfolgreiche Pflanzer importierten weitere Sklaven. Neuankömmlinge übernahmen die Praktiken ihrer wohlhabendsten Nachbarn. Die Segel gebläht von den
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-Winden, nahm der Sklavenhandel Fahrt auf. [249]
Allerdings hätte es die Sklaverei in Amerika auch ohne den Parasiten gegeben. 1641 legalisierte Massachusetts, das kaum unter Malaria zu leiden hatte, als erste englische Kolonie die Sklaverei ganz offiziell. Mitte des 19 . Jahrhunderts war laut einer Studie von Dobson und Fischer die gesündeste Gegend im englischen Teil Nordamerikas das Connecticut River Valley in Massachusetts. Dort gab es praktisch keine Malaria; Infektionskrankheiten waren, nach den Maßstäben der Zeit, außerordentlich selten. Trotzdem gehörten Sklaven zur Ausstattung des Alltags – fast jeder Geistliche, meist der bedeutendste Mann des Ortes, besaß ein oder zwei. Rund acht Prozent der Bewohner der Hauptstraße von Deerfield, einem der größeren Dörfer des Tals, waren afrikanische Sklaven. [250]
Das andere Ende des Malariagürtels, die südliche Grenze des Habitats von
Anopheles darlingi
, dem wichtigsten südamerikanischen
P.-falciparum-
Vektor, stieß an den Rio de la Plata, der Spanisch- und Portugiesisch-Amerika trennte. Südlich des Flusses liegt heute Argentinien. Da es dort wenig Moskitos zur Übertragung von
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gab, blieb das Gebiet relativ unbehelligt von Malaria. Trotzdem gab es dort, wie in Massachusetts, afrikanische Sklaven; zwischen 1536 , als Spanien seine erste Kolonie am Rio de la Plata gründete, und 1853 , als Argentinien die Sklaverei abschaffte, landeten 220 000 bis 330 000 Afrikaner in Buenos Aires, dem wichtigsten Hafen und der Hauptstadt des Landes.
Auf der anderen Seite der Moskito-Grenze lagen die sehr viel größeren brasilianischen Häfen Rio de Janeiro und São Paulo, in denen mindestens 2 , 2 Millionen Sklaven ankamen. Trotz der unterschiedlichen Größenordnungen wiesen die Kolonien Brasilien und Argentinien demographische Ähnlichkeiten auf: In den 1760 er und 1770 er
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